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Sebastian Lucke – im Eiltempo nach oben

Dem Speedkletterer ist keine Wand zu steil

Foto: @marci merkel / mmerkel_photography

von Norbert Krings

Sein Herz und seine Leidenschaft hängen in der Wand – und dies nur für etwas mehr als fünf Sekunden. Sebastian Lucke ist Speed-Kletterer und zählt zu den besten seines Faches in der Welt. Der 20-Jährige will im Eiltempo nach oben – nicht nur an jeder Wand, die sich ihm in den Weg stellt, sondern das Mitglied im Perspektivteam der Stadt Düsseldorf möchte zu den besten Kletterern der Welt gehören, wenn es im nächsten Jahr für diesen nur kleinen Kreis bei den Olympischen Spielen in Paris um Gold, Silber und Bronze geht.

In Düsseldorf ist Sebastian Lucke noch nicht so bekannt, dass man ihn auf der Straße erkennen würde. Allerdings ist er dort auch nur selten anzutreffen. Sein Augenmerk liegt – nicht nur aktuell – auf dem Training, der Vorbereitung und den Wettkämpfen, die er bestreiten muss, um bei den ganz großen Meisterschaften und vielleicht auch bei Olympia dabei sein zu können. Sein Ausflug zur RTL-TV-Show Ninja Warrior Germany war da nur eine kurzfristige Ablenkung, wenn auch für ihn recht unterhaltsam und spannend, weil er auch das Finale erreicht hatte.

Das Talent zum Klettern ist ihm offensichtlich schon in die Wiege gelegt worden. Sein Großvater hat seine Liebe zum Klettern am Fels der Tochter weitergegeben, und die hat Klettern ihren Kindern Anna-Lena und Sebastian schmackhaft gemacht, wenn die Kinder es nicht schon in ihren Genen hatten. Der Nachfrage und Aufforderung der „großen Schwester“ hat es Bruder Sebastian zu verdanken, dass er seine Schnelligkeit beim Klettern doch sportlich nutzen solle. Sie hat ihm „heimlich“ die Wettkampflizenz besorgt. Heute zählt Lucke in Deutschland zu den besten Speedkletterern und vertritt sein Land auch bei Weltcup-Veranstaltungen und großen internationalen Meisterschaften.

Sebastian Lucke darf sich auch mal in Seilen hängen lassen. Foto: Imago

Seine Stärken sind das Bewegungsgefühl und seine Kraft im Oberkörper. Als Speedkletterer braucht er quasi seine Unterarme nicht. „Ich weiß, wie ich meinen Körper bewegen muss, um auf das Tempo zu kommen“, sagt Lucke, der vom Bodensee stammt, jetzt in Wuppertal wohnt und für den Alpenverein Düsseldorf und das Perspektivteam Düsseldorf startet. „Diese Unterstützung ist für mich sehr wichtig“, sagt er.

Ganz zu Beginn hat er noch alle Disziplinen ausprobiert, ist aber dann quasi durch die Deutsche Jugend-Cup-Serie am Speedklettern hängengeblieben. Nach den beiden ersten speziellen Speed-Wettkämpfen, die er 2017 auch direkt gewonnen hatte, war es fortan die Lieblings-Disziplin. „Das macht wirklich Spaß, und ich bin da auch gar nicht so schlecht, habe ich gedacht“, sagt Sebastian Lucke, der dennoch 2018 letztmalig auch Lead und Bouldern im Programm hatte. 2019 war er dann endgültig Tempo-Spezialist.

Für den 20-Jährigen war diese Konzentration auf eine Disziplin dann auch ein Muss, um sich in den Ranglisten nach oben zu arbeiten. Im Jahr 2019 startete er dann erstmals international und holte sich gleich eine Bronzemedaille bei einem Europäischen Jugendcup und wurde bei den Deutschen Titelkämpfen in der Seniorenklasse den Vizemeister. „Wir setzen sehr viel Zeit und Energie ins Training, weil wir sehr viel Krafttraining mit Gewichten für die Maximalkraft machen müssen“, erklärt Lucke.  Mit Peter Schnabel als Bundestrainer, der eigentlich aus der Leichtathletik kommt, geht es auch um die Schnelligkeit und Stabilität der Füße. Zeit für das Klettern in den Bergen bleibt da derzeit nicht.

„Ich würde sagen, dass ich auf dem Weg zur internationalen Klasse bin, aber es gibt noch einige Dinge, in denen ich mich verbessern muss“, sagt der Kletterer und ergänzt lachend: „Ich muss noch ein bisschen schneller werden.“ Das ist ihm im Wintertraining bereits gelungen, in den bisherigen Wettkämpfen hat er das in diesem Jahr noch nicht so ganz umsetzen können. Da gehören dann auch die mentalen Fähigkeiten dazu, sich auf den kurzen Moment so stark konzentrieren müssen. Vielleicht fehlt es da auch noch ein wenig an Erfahrung – bei einem so jungen Athleten.

Auch wenn es sich klischeehaft anhört: Sebastian Lucke will hoch hinaus. Foto: @marci merkel / mmerkel_photography

Den großen Respekt gegenüber den Stars der Szene will er noch ablegen. Und er weiß aber auch, dass er an Kraft zulegen muss. Dann werde er automatisch schneller. Die Route ist immer gleich, also weltweit genormt – mit der gleichen Wandneigung, der Anordnung der Griffe und der Höhe. Es gibt Material-Unterschiede, wenn die Wand durch die Nutzung über die Zeit glatter wird. Und dann verändert sich das Klettergefühl durch die unterschiedliche Reibung. „Als Saison- und Karriereziel hat man vielleicht eine Zeit im Kopf, die man irgendwann erreichen will“, sagt Lucke. Aber im einzelnen Wettkampf würde das nur ablenken, meint er. „Das funktioniert in meinem Kopf nicht. Ich gebe die Kontrolle komplett an meinen Körper ab.“ Die Zeiten werden schneller mit zunehmender Lockerheit, man darf sich aber nicht den kleinsten Fehler leisten.

Natürlich hat Sebastian die Olympischen Spiele im Hinterkopf und arbeitet hart dafür. Das heißt auch, er muss bei den entsprechenden Qualifikationswettkämpfen zur Stelle und auf dem Top-Niveau sein. Denn es gibt nur 14 Startplätze bei den Spielen in Paris. Fehler werden dort und auf dem Weg dahin nicht verziehen. „Es wird schwer, aber keine Olympia-Qualifikation ist einfach. Aber es gibt mehrere Möglichkeiten, unter anderem eine gute Platzierung bei der WM, um dabei zu sein“, sagt der 20-Jährige, dem nun also einige Herausforderungen bevorstehen. Die nächsten Termine sind die Weltcup-Veranstaltungen in Villars-Sur-Ollon und Charmonix Anfang Juli, nachdem er den ersten Weltcup-Block hinter sich hat und dabei auch in Djakarta eine neue Bestzeit mit 5,53 Sekunden an der 15-Meter-Wand aufstellen konnte. Nun steigt er noch einmal verstärkt ins Training ein bis zu den Starts im nächsten Monat. 

Noch eine Info über Sebastian Lucke: Der Speed-Kletterer startet immer mit Brille und will auch nicht auf Kontaktlinsen ausweichen. „Ich trage eine filigrane Brille, die nicht besonders stabil ist“, erklärt Lucke, der kein Fan von Kontaktlinsen ist. „Sie ist leicht und bisher funktioniert das einwandfrei.“

Die Krafteinheiten im Training sind mehr als fordernd. Foto: Foto: @marci merkel / mmerkel_photography

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