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Gentleman und Kumpeltyp

Was Jim Tomsula so besonders macht

Foto: Kenny Beele

von Tobias Kemberg

Der 56-Jährige möchte 2024 mit Rhein Fire den Titel in der European League of Football verteidigen. Offen kommuniziert wird das vom Head Coach nicht. Aber das würde auch nicht zu seiner Art passen.

Wer sich mit Jim Tomsula unterhält, der betritt für die Dauer der jeweiligen Konversation so etwas wie eine Parallelwelt. Es wirkt wie eine Art fünfte Dimension, in der Respekt im Mittelpunkt steht und beidseitige Offenheit ausgelebt werden. Die Welt fühlt sich plötzlich irgendwie besser an, ehrlicher und einfach ganz anders als das im oft trist daherkommenden Alltag den Anschein hat. Dabei muss das Thema gar nicht mal zwingend American Football, Tomsulas Fachgebiet und Leidenschaft, sein.

Der 56-Jährige, der 2022 nach Düsseldorf zurückkehrte, um ein Jahr später mit Rhein Fire in der European League of Football (ELF) den Titel zu gewinnen, versteht es, Zuhörer mitzunehmen und sie regelrecht zu fesseln – so ein wie ein talentierter Autor oder eine preisgekrönte Autorin es versteht, den Leser mit seiner oder ihrer Art des Erzählens dazu zu bringen, das ganze Buch in einem Rutsch durchzulesen.

Diese Eigenschaft ist als Head Coach eines Football-Teams selbstverständlich eine hervorragende Voraussetzung, um die Sportler auf dem Trainingsplatz und am Spieltag zu erreichen, um so das Beste aus ihnen herauszukitzeln. Bei der ersten größeren Rhein-Fire-Medienrunde des Jahres 2024 waren es aber eben nicht die Spieler, die dann am kommenden Wochenende beim großen Trainingscamp wieder genau zuhören werden, was der einstige Head Coach der NFL-Franchise San Francisco 49ers in ihrem Beisein in Worte gießt.

Geschichtenerzähler mit besonderer Aura

Ob Tomsula nun detailliert über die Komplexität der Ausführung eines Field Goals spricht und dabei immer wieder die 1,4 Sekunden betont, die vom Moment des Snaps über den Hold bis zum eigentlichen Kick vergehen, oder ob er erzählt, wie intensiv sein Stab und er über den Winter in seinem Domizil in Florida die Durchleuchtung potenzieller Zugänge für das Roster vollzogen – es grenzt schon an Genuss, dem Mann aus Pennsylvania zuzuhören.

Foto: Kenny Beele

Der langjährige NFL-Defensive-Coordinator spricht in aber natürlich auch über die neue Saison und die Ziele für 2024: „2023 war ein hervorragendes Jahr für uns. Wir haben kein Spiel verloren und den Titel gewonnen. Aber in 2024 hat Rhein Fire noch nichts geleistet. Die Liga ist besser geworden, das individuelle Niveau der Spieler ist ein anderes. Und ob unser Roster im Vergleich zu 2023 besser geworden ist, das kann ich jetzt noch nicht beantworten. Aber insgesamt haben wir mit Sicherheit jetzt mehr Tiefe auf bestimmten Positionen.“

Auch das ist Jim Tomsula. Auf eine Kampfansage à la „Wir wiederholen die perfekte Saison und werden erneut Champion“ wartet man in dieser Form bei ihm vergeblich. Auf der anderen Seite der Kabinentür mag das zu gegebenem Zeitpunkt anders sein, aber nach außen ist der erfahrene Familienvater eben auch ein guter Moderator. „Wer mich nach persönlichen Dingen der Spieler fragt, der bekommt leider keine Antwort. Aber fragen dürft ihr mich jederzeit alles“, sagt Tomsula mit einem Grinsen. „Wenn jemand schreibt, wir haben überragend gespielt, dann kann es sein, dass ich das nicht so überschwänglich sehe. Aber wenn wir schwach gespielt haben, dann soll das bitte auch so geschrieben werden.“ Und irgendwie reagiert der Zuhörer automatisch mit einem bejahenden Kopfnicken – wie zu Schulzeiten, wenn die Lehrkraft hinter dem großen Pult an der Tafel die „Spielregeln“ für den sozialen Umgang ins Plenum schickte.

Meistermacher ohne Geltungsbedürfnis

Tomsula wirkt abseits des Footballfeldes jedoch so gut wie nie wie ein Lehrer. Seine Aura, geprägt von der Herzlichkeit und Höflichkeit eines echten Gentleman, lässt ihn eher wie einen Geschichtenerzähler wirken, der große Freude dabei empfindet, seine Erfahrungen und Empfindungen mit Anderen zu teilen. Dennoch schwingt hier und dort auch die Portion Ehrgeiz mit, wenn Tomsula spricht. Als Sportler ebenso logisch wie wichtig.

Der Erfolg von Rhein Fire in der Saison 2023 ist sehr eng mit seinem Namen verbunden. Und doch stellt sich der Mann mit dem 49ers-Ring an der rechten Hand nie in den Vordergrund. Tomsula, der Deutschland und vor allem die Stadt Düsseldorf in seinem NFL-Europe-Jahr 2006 lieben lernte, hat den Fokus schon längst voll auf die neue Saison gerichtet. Das Vergangene spielt keine Rolle mehr – so gut das zurückliegende Jahr auch gewesen sein mag. Tomsula möchte mit Rhein Fire eine neue Geschichte schreiben. Am liebsten natürlich wieder eine besonders erfolgreiche, die fernab aller Parallelwelten und anderer Dimensionen ganz real ist.

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