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Breuckmann: Was hat Allofs da geritten?

Kult-Reporter analysiert Fortunas Trainerwechsel

Foto: Imago/Reichwein

von Norbert Krings

INTERVIEW: Wenn jemand die Geschehnisse im deutschen Profi-Fußball richtig und vor allem treffsicher einordnen kann, dann ist es sicherlich Manfred Breuckmann. Der ehemalige Reporter und Moderator des Westdeutschen Rundfunks kommt aus Düsseldorf und stand uns für ein Interview zur Verfügung, in dem er den Trainerwechsel bei Fortuna Düsseldorf analysiert. Dabei spricht der 70-Jährige wohl vielen Fans des Fußballs und des Zweitligisten aus der Seele.

Herr Breuckmann, wie geht es Ihnen? Sind Sie auf Ihrer Lieblingsinsel?
Manfred Breuckmann: Ja, ich bin derzeit auf Mallorca, und bei den derzeitigen Temperaturen kann man auch mal mittags draußen auf der Terrasse im T-Shirt in der Sonne sitzen. Den deutschen Fußball und die Fortuna im Besonderen verfolge ich aber genau.

Was sagen Sie denn erst einmal zu Trainerwechseln ganz allgemein? Ist das immer noch ein Allheilmittel, wie vielleicht der Sieg der Fortuna am Sonntag gegen Schalke gezeigt hat?
Breuckmann: Trainerwechsel sind in erster Linie ein Tätigkeitsnachweis der führenden Leute im Verein. Man sieht, der Erfolg bleibt aus und man muss Handlungsfähigkeit beweisen. Wir müssen irgendwas tun, und es hat sich in jahrzehntelanger Übung herausgestellt, dass man als erstes dann den Trainer rausschmeißt. Das ist wie ein Drehbuch, wenn man vier Spiele hintereinander verliert, ohne ein einziges Tor geschossen zu haben, und man aus den letzten zehn Spielen nur ein Sieg holt, dann ist der Trainer weg, wenn nicht besondere Dinge passieren.

Hat die Mannschaft dann in der prekären Phase keinen Respekt mehr vor dem Trainer, weil seine Methoden und seine Taktik keinen Erfolg mehr haben?
Breuckmann: Da muss man jeden Fall einzeln betrachten. In diesem Fall bei der Fortuna war es so, dass ein U23-Trainer aus Freiburg gekommen ist, der sich sein Standing in der Branche noch erarbeiten muss. Und den Respekt der gestandenen und älteren Spieler. Er ist sehr forsch an die Sache herangegangen in den ersten vier, fünf Spielen. Und dann zog nach den ersten Nackenschlägen das Prinzip Vorsicht ein. Bei jedem Spiel und jeder Enttäuschung schwand das Selbstvertrauen, der Japaner Ao Tanaka spielt plötzlich nur noch Pässe über fünf Meter, und das alles erzeugt einen sehr starken Sog nach unten. Darunter leidet dann auch das, was man Autorität nennt. Zumal Preußer nicht als große Autoritätsperson ins Rennen gegangen ist wie ein Neururer, Rehhagel oder Funkel.

Hing das Geschilderte auch mit dem Alter und dem Typen des Trainers zusammen?
Breuckmann: Es gibt auch junge Trainer wie Julian Nagelsmann, die Autorität ausstrahlen, was auch dann auf die Mannschaft abstrahlt. Christian Preußer ist ein ruhiger und zurückhaltender Mensch, der seine Erfolge hatte, aber in einem bescheidenen Ausmaß. Er kommt nicht in einen Raum und füllt diesen sofort aus. Insofern war das auch ein Wagnis von Klaus Allofs und ich weiß nicht, was ihn da geritten hat, Preußer zu verpflichten. Vielleicht wollte er dokumentieren, was für ein geniales Trüffelschwein er sein kann, indem ein absolut ungeschliffenes Juwel nach Düsseldorf holt, das dann ganz groß rauskommt. Viel Geld hat die Fortuna bekanntlich nicht. Das passt ja auch.

Manni Breuckmann – rechts- im Gespräch mit Klaus Allofs. Foto: Imago/Reichwein

Ist Fortuna, Verein, Umfeld und Fans mit zu großen Erwartungen an dieses Experiment herangegangen?
Breuckmann: Jeder Trainer ist anders, und man geht immer ein Risiko ein, wenn man einen jungen Trainer holt, der in diesem Segment wenig Erfahrung hat. Man kann nicht von anderen Trainern auf einen jungen Kollegen schließen. Ob das funktioniert, dafür gibt es wenig Garantien. Ob das Umfeld von Fortuna, das sich damit auszeichnet, dass es sich ständig ändert, von Preußer überzeugt war, möchte ich bezweifeln. 

Hat sich der neue Trainer Daniel Thioune bisher zurecht zurückgehalten, was die Bewertung des ersten Sieges angeht?
Breuckmann: Ich glaube, solche Sprüche, dass man in der Kürze der Zeit nicht viel erreichen kann, machen sie fast alle, wenn sie noch genügend Resthirn beieinander haben. Wie soll das auch gehen? Den psychologischen Effekt darf man nicht unterschätzen. Die Spieler fühlen sich alle noch einmal ins Schaufenster gestellt, um dem neuen Trainer zu zeigen, was sie so draufhaben. Das kann ein leichter Schub sein. Das war ja auch nicht schlecht, was die Fortunen gegen Schalke gezeigt haben. Allerdings haben sie zuvor auch die alte Sünde begangen, ihre Chancen nicht genügend zu nutzen. Das gibt nun ein wenig Hoffnung.

Also ist der Trainerwechsel schon jetzt ein erfolgreicher Schachzug?
Breuckmann: Es gibt aus den letzten Jahrzehnten zahlreiche Studien, die den Effekt von neuen Trainern untersucht haben. Das ist wie mit der Lebenserwartung. Ich weiß zum Beispiel, dass ich im statistischen Schnitt noch 13 Jahre zu leben habe. Ich habe aber selbstverständlich noch 20 Jahre. Das ist ja das mit dem statistischen Mittel. Jeder Verein, der den Trainer wechselt, weiß, dass möglicherweise statistisch nur ein Tabellenplatz höher drin ist. Die Vereine sagen aber, bei uns ist das anders. Der neue Trainer bringt uns mindestens fünf Plätze nach oben. Das bleibt ein unsicheres Terrain, und ein Trainerwechsel ist ganz sicher kein Allheilmittel. Es kommt aber auf den Trainer und die Mannschaft an – auch wie die Vertragssituation der Spieler ist. Da spielen tausend Faktoren zusammen.

Was stimmt Sie bei Fortuna optimistisch?
Breuckmann: Mit dem Spruch sind schon viele abgestiegen, aber ich spreche ihn trotzdem aus: Das Potenzial ist nun einmal da, und wenn der neue Trainer es schafft, das abzurufen, dann ist ein gesicherter Mittelfeldplatz drin. Trotzdem ist es eine verschenkte Saison, weil man im vorigen Jahr Fünfter geworden ist, und mit dem Trainer nicht weiterarbeiten wollte, weil er nicht aufgestiegen ist. Das ist eine bittere Pointe.

Kann Fortuna keine guten Entscheidungen treffen, was die Besetzung von Ämtern im Vereinsämter und auch Trainerposten angeht?
Breuckmann: Ich schaue auf den Verein und reibe mir immer wieder die Augen. Es scheint mir eine wichtige Aufgabe zu sein, dass da Kontinuität hineingebracht wird, um nicht immer wieder neue Personal-Entscheidungen zu treffen. Das ist aber das Problem, dass ich mit dem gesamten deutschen Fußball habe. Da kommt jemand, der mit diesem Fußballverein nichts zu tun hat. Und der wird dann so etwas wie Vorstandsvorsitzender. Das war ja früher mal so etwas wie Präsident oder so. Da hat es auch bei Fortuna schlimme Fälle gegeben. Ich habe ein merkwürdiges Gefühl, dass da Leute an der Spitze eines Fußballvereins stehen, bei denen überhaupt kein Herzblut fließt – weil keins da ist. Da hat sich Entscheidendes verändert.

Warum ist der Fußball in Düsseldorf nicht so erfolgreich wie etwa in Mainz oder Freiburg?
Breuckmann: Das ist die Summe der Entscheidungen – wie das Management zusammengestellt ist, wer die Mannschaft trainiert, welche Spieler eingekauft werden. Das ist ein riesiges Mosaik, und wenn man die Teile zusammenfügt, ist das so, dass Fortuna da vor sich hintrudelt. Die angestrebte, dauerhafte Zugehörigkeit zur ersten Liga ist nur ein Phantombild. Es hängt nicht unbedingt mit dem Standtort zusammen. Ich war ja der Meinung und wurde oft dafür böse angefeindet, dass Düsseldorf kein Fußballpflaster ist.

Ist das immer noch so?
Breuckmann: Das hat sich tatsächlich seit Norbert Meier und dem Aufstieg damals schon etwas geändert. Ich komme ja aus der Zeit, als im Rheinstadion noch 8000 Zuschauer waren. Das hat mich damals sehr geprägt. Mich verfolgt auch noch der Spruch: Gebt die Antidepressiva aus, Fortuna Düsseldorf spielt. Darauf werde ich heute noch angesprochen. Damals war es teilweise so, als würde man ein Geisterspiel übertragen. Davon rücke ich inzwischen ein wenig ab. Das Düsseldorfer Publikum ist zu holen, wenn ein bisschen was Sportliches geboten wird. Das dauernde Underdog-Syndrom ist allerdings noch vorhanden, dass sich viele Fans immer noch schlecht behandelt fühlen, weil man es mit der Fortuna ja machen kann. Diese Einstellung erlebe ich immer noch.

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