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„Ich setze mir keine Grenzen“

Stabhochspringer Bo Kanda Lita Baehre im Interview

Foto: Kenny Beele

von Bernd Schwickerath

Nach sechs Monaten Verletzungspause und einigen Umstellungen im Training brauchte Bo Kanda Lita Baehre etwas, um wieder in Form zu kommen. Nun ist der Stabhochspringer aus dem Team Düsseldorf wieder da und hat viel vor. Vor allem bei Olympia in Paris.

Sie sind am Wochenende wieder 5,77 Meter gesprungen. Passt das zum Plan?Bo Kanda Lita Baehre: Ja, das ist auf jeden Fall eine gute Höhe. Ich bin aus einem anderen Anlauf gesprungen, da war das an sich eine gute Leistung. Die kommt für mich aber nicht überraschend oder unerwartet, von daher ist es ein Schritt in eine richtige Richtung.

Anfang des Jahres waren Sie nach Ihrem Comeback in Düsseldorf noch enttäuscht, sie seien „auf dem Boden der Tatsachen“. Was lief damals schief?Lita Baehre: Wir hatten im Training viele Umstellungen gemacht. Und letztes Jahr hatte ich ja noch die Verletzung, wegen der ich operiert worden bin und erst mal eine Reha machen musste. Trotzdem haben wir danach das Training umgestellt, und dann kommen halt viele Faktoren zusammen. Wenn man Veränderungen macht, kann man nicht erwarten, dass es direkt so funktioniert, wie man es sich vorstellt. Dementsprechend habe ich das so beschrieben, dass ich auf den Boden der Tatsachen gebracht worden bin.

Hatten Sie die sechsmonatige Verletzungspause unterschätzt?
Lita Baehre: Auf gar keinen Fall, ich habe die nicht unterschätzt. Aber wenn man neue Sachen macht und davon überzeugt ist, dann möchte man natürlich auch, dass es schnellstmöglich funktioniert. Was aber halt Schwachsinn ist.

Foto: Tilo Wiedensohler

Diese Saison ist einiges los: Es war schon eine WM, bald ist EM, und dann natürlich Olympia. Bitter, dass Sie ausgerechnet vor dieser Saison so lange verletzt waren oder das normale Schicksal eines Sportlers?
Lita Baehre: Man kann so etwas nie planen, man muss es einfach akzeptieren, dass so etwas vor so einer Saison passiert. Man sollte eher die positiven Sachen daraus ziehen: Was kann mir das Zukunft bringen? Was soll mir das zeigen? Dementsprechend würde ich niemals behaupten, dass es zum falschen Zeitpunkt kam. Das liegt eh nicht in meiner Macht.

Also sind Sie wie so viele Sportler der Meinung, dass es Rückschläge braucht, um daran zu wachsen?
Lita Baehre: Ja, auf jeden Fall, das ist Teil der Reise. Es gibt nicht immer nur Höhen, sondern auch Tiefen. Und ohne die Tiefen würde man die Höhen auch gar nicht wertschätzen.

Sie wollen jedes Jahr höher springen, deswegen verlängern Sie jedes Jahr den Anlauf und den Stab. Haben Sie das auch dieses Jahr nach der Verletzung wieder gemacht?
Lita Baehre: Ja, das waren halt die Umstellungen, die ich angesprochen hatte. Wenn man sich vornimmt, sich kontinuierlich zu verbessern und oben mitzuspringen, dann muss man gewisse Sachen verändern. Damit haben wir im Januar angefangen, und wir sind immer noch dabei, das zu optimieren.

Mal für uns Laien erklärt: Welchen Unterschied machen ein längerer Anlauf oder ein länger Stab?
Lita Baehre: Wenn an den Anlauf verlängert, erhofft man sich erst mal mehr Speed. Aber nicht nur das: Man verschafft sich auch mehr Zeit, weil man sich mit zwei Schritten mehr länger in einer besseren Laufposition halten kann. Denn andersrum: Desto kürzer der Anlauf, desto weniger Zeit hat man. Und mit einem längeren Stab erhofft man sich einfach, höher zu springen.

Foto: Kenny Beele

Klingt einfacher, als es wohl ist…
Lita Baehre: Natürlich muss es erst mal umgesetzt bekommen. Das gilt auch für den Anlauf. Man kann jetzt jemandem, der gerade anfängt, nicht sagen: Nimm dir den längsten Stab und den längsten Anlauf und es geht direkt weit nach oben. Auch ich muss das lange trainieren und koordiniert bekommen. Und vor allem im Wettkampf kommt auch noch die Drucksituation dazu. Das ist schon mehr als einfach die Verlängerungen von Stab und Anlauf. Man muss seine Harmonie in den Abläufen wieder neu finden.

Wir erleben gerade die Zeit des besten Stabhochspringers der Geschichte: Armand Duplantis schraubt den Weltrekord immer höher. Kann man sich bei dem eigentlich etwas abschauen oder muss jeder seinen eigenen Weg finden?
Lita Baehre: Man kann jetzt nicht sagen, ich will jetzt genauso laufen und springen wie er. Jeder Mensch hat seine eigenen Stärken, jeder Mensch ist anders gebaut. Man kann sich das natürlich anschauen und gucken, was er so macht, was zeichnet ihn aus. Aber ihn zu kopieren, wäre die falsche Herangehensweise.

Ist es überhaupt realistisch, Duplantis mal zu schlagen?
Lita Baehre: Auf jeden Fall. Meiner Meinung nach kann jeder Sportler geschlagen werden. Das bekommt man immer wieder mit. Was jetzt noch unmöglich erscheint, ist es wahrscheinlich gar nicht. Aber wenn man nicht dran glaubt, dann klappt es auch nicht. Ich bin davon überzeugt und arbeite dran. Ich werde mich bestimmt nicht, von vornherein mit dem zweiten oder dritten Platz geschlagen geben.

Der absolute Höhepunkt ist natürlich Olympia. Wie sieht Ihr Weg dahin aus? Und was ist da möglich?
Lita Baehre: Dadurch, dass ich in der Halle nur drei Wettkämpfe gemacht hatte, habe ich jetzt echt Lust, mehr Wettkämpfe zu machen. Und ich glaube, dass mir das weiterhelfen wird, die Konstanz wieder zu finden. Auch, dass ich die Sachen aus dem Training umsetzen kann, um mich bestmöglich auf Olympia vorzubereiten. Es ist gerade die Zeit, in der der Stabhochsprung am erfolgreichsten ist, dementsprechend muss man über seine Grenzen hinausgehen. Mit Höhen, mit denen man vor Jahren noch gewonnen hätte, kann man sich heute nicht mehr weiter oben platzieren. Dementsprechend bereite ich mich darauf vor, weiterzugehen als jemals zuvor und in einer möglichst guten Verfassung an den Start zu gehen.

Glauben Sie, dass auch Sie eines Tages die magischen sechs Meter knacken können?
Lita Baehre: Ich setze mir auf jeden Fall keine Grenzen.

Sie starten jetzt wieder für Düsseldorf. Nur eine Formalie oder bedeutet Ihnen das wirklich etwas?
Lita Baehre: Das bedeutet mir sehr viel, ich wohne seit einem Jahr wieder in Düsseldorf, bin hier aufgewachsen, habe hier viel Zeit verbracht, Schule, Sport. Dementsprechend fühle ich mich hier wieder gut aufgehoben. Auch die Wettkämpfe, die ich machen durfte, waren echt cool. Ich freue mich mega, wieder in und für Düsseldorf am Start zu sein.

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