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Auf dem Weg nach oben

Henry Braaf springt Trampolin für den TV Unterbach

Fotos: Kenny Beele

von Bernd Schwickerath

Vor ein paar Jahren war Henry Braaf schon mal im Fernsehen. Der KIKA, der Kinderkanal von ARD und ZDF, hatte einen Reporter beim Training vorbeigeschickt. Es ging darum, außergewöhnliche Sportarten vorzustellen. Henry Braaf macht etwas Außergewöhnliches: Trampolinspringen. Das haben zwar viele schon mal gemacht, sei es in der Schule, in einem Park, manche haben sogar ein eigenes Trampolin im Garten stehen. Aber das hat wahrscheinlich wenig damit zu tun, was der 15-Jährige vom TV Unterbach bei seinen Kunststückchen zeigt. Wenn er in seinen Doppelsalto noch eineinhalb Schrauben einbaut, dann ist das Leistungssport – und der bringt ihn in diverse Länder.

Zwar hat Corona in den vergangenen zwei Jahren für viele Absagen gesorgt, aber die Liste wird immer länger: Niederlande, Schweiz, Österreich, Tschechien, allerorten in Deutschland, 2021 ging es gar nach Baku in Aserbaidschan, da stand die Jugendweltmeisterschaft an, am Ende durfte sich Henry Braaf über einen starken fünften Platz im Synchron freuen. Dieses Jahr soll es so weitergehen: Bald fährt er zu einem Qualifikationsturnier in die Niederlande, dann stehen zwei in Deutschland an, und wenn die Ergebnisse passen, geht es danach zur EM nach Italien, später auch zur WM nach Bulgarien.

Irgendwie reingerutscht

Als er vor knapp zehn Jahren damit begann, habe er sich so etwas nicht im Traum vorstellen können. „Ich wusste anfangs gar nicht, dass es da überhaupt Wettkämpfe gibt. Irgendwann kam mein Trainer auf mich zu und sagte: Du fährst jetzt zu einem Wettkampf. Dann habe ich das gemacht“, sagt er lachend.

Irgendwie ist er da so reingerutscht. Wie das oft so ist. Allein der Beginn der Leidenschaft war Zufall. Seine Schwester Luisa, die heute selbst Trampolin springt und 2021 EM-Bronze gewann, war daheim in Bonn in einem Turnverein, der kleine Henry schaute beim Training zu. Dann entdeckte er den Trampolin-Verein gleich daneben und probierte das einfach mal aus. „Hat Spaß gemacht, dann bin ich dabei geblieben.“

Zwischendurch habe er auch mal wieder ausgesetzt, andere Sportarten wie Turnen oder Boxen ausprobiert, doch der Weg führte schnell zurück aufs Trampolin, wo man so herrlich fliegen kann. Das machte er so gut, dass er einen Platz am DTB-Turnzentrum in Bergisch Gladbach bekam, mittlerweile startet er wie seine Schwester und viele andere Leistungsspringer für den TV Unterbach. Und wird immer besser. Diverse Turniersiege, Medaillen bei Deutschen Jugendmeisterschaften, der fünfte Platz in Baku.

„Wir sind sehr zufrieden mit seiner Entwicklung“, sagt Jörg Hohenstein vom Bundesstützpunkt in Frankfurt. Dort trainiert Henry Braaf seit knapp einem halben Jahr. 20 Stunden die Woche plus Wettkämpfe. „Das alles neben der Schule und immer mit weiten Fahrten, da muss man schon einen Riesenrespekt vor haben, dass er das alles auf sich nimmt“, sagt Alexej Kessler, Henry Braafs anderer Trainer im Rheinland. Denn man muss wissen: Die Aussichten, irgendwann mal Geld damit zu verdienen, sind extrem gering. Zwar gibt es Unterstützung von der Stadt Düsseldorf, durch die Sporthilfe NRW oder durch den Verband, aber das deckt kaum die Kosten.

Große Zeiten sind erst mal vorbei

So ist das nun mal im Randsport. Aber zumindest entwickele der sich in die richtige Richtung: „Er kommt immer mehr ins Bewusstsein durch die Trampolin-Parks, wir haben viel Zulauf aus diesem Bereich. Man springt halt gern, das ist eine Sportart, die einem viel Freude bereiten kann“, sagt Jörg Hohenstein, dessen Sport in der Leistungsspitze trotzdem schon bessere Zeiten erlebt hat. 2004 gewann Anna Dogonadze in Athen noch Olympiagold, 2021 in Tokio waren die Deutschen nicht mal mehr vertreten. „Kein Ruhmesblatt“, sagt Hohenstein, „jetzt sind wir dabei, die Strukturen anzupassen. Ob wir uns da gut anstellen, wird Paris 2024 zeigen.“

Für Henry Braaf kommt das natürlich noch zu früh. Und mit gerade mal 15 Jahren hütet er sich ohnehin davor, mutige Ansagen zu verteilen: „Olympia ist noch sehr weit weg. Mein Ziel ist es erst mal, mich dieses Jahr für die Jugend-DM, die Jugend-EM und die Jugend-WM zu qualifizieren.“ Seinen Trainern gefällt das. „Schritt für Schritt“, sagt Kessler. Auch Hohenstein sagt: „Es ist ein langer Weg, bis man oben ankommt.“ Gerade im Trampolinsport, wo nichts von heute auf morgen klappt, es dauere Jahre, bis man auf ein „auf Grundgerüste zurückgreifen“ könne.

Mit dem Baukastenprinzip zum Erfolg

Vorstellen müsse man das sich „wie ein Baukastensystem“, erklärt der Trainer: „Du machst eine bestimmte Sache, die dann Grundvoraussetzung für die nächste ist. Das wird alles langfristig vorbereitet.“ Vereinfacht gesagt: Nur wer einen Salto perfekt beherrscht, kann einen Doppelsalto machen. Nur wer den perfekt beherrscht, kann weitere Elemente wie halbe oder ganze Schrauben einbauen. Immer einen Schritt weiter. Aber eben einen nach dem anderen. Denn bei der Bewertung geht es um drei Sachen: Sprunghöhe, Schwierigkeit und Ästhetik. Alles muss sitzen, allein schon, um das Verletzungsrisiko zu minimieren.

Klappt das alles, ist Trampolin ein aufregender Sport. Und einer, der eigentlich perfekt in die Zeit passt. Die Übungen sind kurz und spektakulär, in einem Wort: Social-Media-tauglich. Im Ausland, etwa in Spanien, werde der Sport genau so vermarktet, in Deutschland gebe es noch Nachholbedarf, sagt Hohenstein. Henry Braaf tut etwas dagegen, postet auf Instagram selbst hin und wieder ein paar Sprünge. Und wenn es alles glatt läuft, gibt es dort dieses Jahr etwas von EM und WM zu sehen.

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