von Tobias Kemberg
Volle Hallen und Stadien, A- bis D-Prominenz in der ersten Reihe und von bedeutsamer Musik untermalte Einzüge – das sind die Zutaten für große Boxabende. Die letzten ganz großen davon auf Düsseldorfer Boden liegen schon ein paar Tage zurück. Doch das hindert D.SPORTS nicht daran, noch einmal an große Fights und große Charaktere zu erinnern, die einst in der Sportstadt im Ring standen.
2. August 1924
Als ein gewisser Max Schmeling als 17-Jähriger in Düsseldorf ins Seilgeviert steigt, ist der spätere Jahrhundertsportler der Bundesrepublik ein noch unbeschriebenes Blatt. Mit dem Zug ist er aus Hamburg nach Düsseldorf gekommen, weil es hieß, im Westen sei die Chance auf eine erfolgreiche Karriere als Boxer größer. Rund 1000 Menschen sehen in der Düsseldorfer Kaiserhalle den Beginn einer Weltkarriere. Schmeling beginnt gegen Hans Czapp verhalten. Doch mit zunehmender Dauer wird klar, über welches Talent der junge Mann verfügt. Nach sechs Runden ist Schluss: Schmeling gewinnt durch Technischen K.o. und das Box-Komitee erlässt ihm die beiden eigentlich noch nötigen Qualifikationskämpfe. Schmeling wird sofort zum Profi und später Weltmeister. Der Rest ist Sportgeschichte.
26. Mai 1985
Zeitsprung. Mitte der Achtziger Jahre lockt der Boxsport in Deutschland nicht gerade ein breites Publikum hinter den damals noch energieeffizienten Öfen hervor. Die Ausnahme heißt René Weller, gelernter Heizungsmonteur und Goldschmied aus Pforzheim. An jenem Tag boxt der Leichtgewichtler in der Philipshalle, die heute Mitsubishi Electric HALLE heißt, gegen Daniel Londas aus Frankreich um den EM-Titel. Der damals 31-Jährige gilt als hervorragender Techniker mit einem Hang zur Selbstinszenierung. Sein playboyhaftes Auftreten bringt ihm den Beinamen „Schöner René“ ein. Den Kampf über zwölf Runden gewinnt Weller nach Punkten. Insgesamt gestaltet der fünf Mal als Deutschlands Boxer des Jahres ausgezeichnete Linksausleger 52 seiner 55 Profikämpfe erfolgreich. Nach dem Ende seiner Karriere sitzt der exzentrische Weller zunächst wegen Kokainhandels und Hehlerei im Knast, später im Big-Brother-Haus – wo er seine Hose herunterlässt – und schließlich im „Sommerhaus der Stars“.
13. September 1991
Acht Mal steigt Graciano Rocchigiani (Foto oben) während seiner Profikarriere in Düsseldorf in den Boxring. Der Fight im September 1991 ist der letzte und mit Sicherheit denkwürdigste dieser acht. Ein Auge ist bereits komplett zugeschwollen und auf dem zweiten sieht der Europameister auch schon nicht mehr alles. Der Kampfabbruch droht. Doch „Rocky“ legt gegen Alex Blanchard aus den Niederlanden eine furiose neunte Runde hin, deckt den Herausforderer mit Schlagserien ein und erzwingt damit seine Titelverteidigung durch Technischen K.o. An jenem Kampfabend übrigens ebenfalls in der Philipshalle dabei: ein gewisser Axel Schulz sowie Henry Maske. Doch die große Show an diesem Tag gehört Rocchigiani, der sich erst ein halbes Jahr zuvor an gleicher Stelle den Gürtel sichern konnte. Anfang Oktober 2018 stirbt Rocchigiani im Alter von 54 Jahren bei einem Autounfall in Italien
20. März 1993
Ein Star wird geboren. Mit einem Punktsieg nach zwölf Runden über den US-Amerikaner Charles Williams gewinnt Henry Maske den Weltmeisterschaftstitel im Halbschwergewicht des Verbandes IBF. Es ist ein überlegen geführter Kampf des „Gentleman“, der seinen Gürtel im September und Dezember desselben Jahres abermals in der Philipshalle verteidigen kann. Der Erfolg des in der DDR geborenen Rechtsauslegers an jenem 20. März ist der Auftakt zu einer großartigen Karriere, die mit 31 Siegen in 32 Profikämpfen beinahe perfekt endet – bis der US-Amerikaner Virgil Hill im November 1996 für die einzige Niederlage des Olympia-Siegers von 1988 sorgt. Mit Maskes Erfolgen erfährt der Boxsport in Deutschland einen großen Popularitätsanstieg. Seine Fights locken ein Millionenpublikum vor die Fernsehbildschirme. Das Boxen wird nicht zuletzt dank Maskes Auftritt in Düsseldorf salonfähig.
19. August 1995
Das altehrwürdige Eisstadion an der Brehmstraße erlebte in seiner langen Historie bekanntlich nicht nur Eishockey. Im Juni 1992 wird in der mittlerweile ehemaligen Heimspielstätte der Düsseldorfer EG ein internationales Turnier für Sumo-Ringer ausgetragen, drei Jahre später verteidigt Dariusz Michalczewski dort seinen WBO-Weltmeistertitel gegen Everardo Armenta Jr. In der fünften Runde schlägt der „Tiger“ seinen mexikanischen Gegner mit einem linken Haken auf die Matte und feiert so einen von insgesamt 38 Knockout-Siegen seiner Karriere. 11.000 Zuschauer verfolgen das Spektakel an der Brehmstraße, das mit dem Slogan „Die Nacht der Knockouter“ beworben wird. Es ist Michalczewskis zweiter und letzter Fight in Düsseldorf, nachdem er im April 1992 in der Philipshalle den US-Amerikaner Robert Johnson in der zweiten Runde besiegt hatte.
24. Oktober 1998
Nicht alle großen Weltmeisterschaftskämpfe in der Sportstadt enden eindeutig. Als Sven Ottke in der Philipshalle den IBF-Titel im Supermittelgewicht gewinnt, ist Gegner Charles Brewer so gar nicht einverstanden. Die Punktrichter Manfred Küchler (116-112) und Luca Montella (115-113) sehen den von den zwölf Runden sichtlich gezeichneten Ottke vorne, George Hill indes votiert mit 117-111 für den US-Amerikaner. Brewer fühlt sich durch das Urteil gegen den vor allem durch seine Ausweichmanöver bekannten Berliner benachteiligt. Beim Rückkampf in Magdeburg im September 2000 gibt es erneut eine Split-Decision. „Er boxt immer noch wie ein Amateur“, raunt Brewer in die Notizblöcke und Mikrofone. Doch erneut heißt der Sieger Sven Ottke, der am Ende seiner Karriere alle 34 Profikämpfe gewonnen haben wird.
28. Juli 2007
Während ein TV-Team am Ring bereits den Dokumentarfilm zu ihrem Abschied vom Profiboxen dreht, verteidigt Regina Halmich im CASTELLO ihren WIBF-Weltmeistertitel gegen Wendy Rodriguez. Die Herausforderin aus den USA macht es der Fliegengewichtlerin an diesem Abend extrem schwer, doch Linksauslegerin Halmich (Foto) gewinnt auch ihren vorletzten Kampf dank einer Energieleistung über die vollen zehn Runden nach Punkten. So richtig von den Sitzen zieht der Fight die 4500 Zuschauer nicht. Auch Halmichs Lager spricht hinterher von einem „schmucklosen Arbeitssieg“. Vier Monate später beendet Halmich ihre Karriere mit einem umstrittenen Punktsieg gegen die Israelin Hagar Shmoulefeld Finer in Rheinstetten. Mit Düsseldorf verbindet Regina Halmich aber nicht nur ihren vorletzten Profikampf. Vier ihrer Einzugshymnen wurden von der Düsseldorfer Rockmusikerin Doro Pesch geschrieben und gespielt.
20. März 2010 / 28. November 2015
Während sein älterer Bruder Vitali keinen seiner insgesamt 47 Profikämpfe in Düsseldorf bestreitet, ist Wladimir Klitschko gleich vier Mal in der Sportstadt aktiv: 1999, 2010, 2012 und 2015. An jenem März-Abend 2010 ist die MERKUR SPIEL-ARENA, zu diesem Zeitpunkt als ESPRIT arena bekannt, der Schauplatz. „Ich werde die Welt schocken“, kündigt Eddie Chambers im Vorfeld des Fights an, bei dem es um Klitschkos WM-Gürtel der Verbände WBO und IBF geht. 50.000 Zuschauer feuern den klar überlegenen „Dr. Steelhammer“ in der zwölften Runde noch einmal lautstark an und Wladimir schickt den US-Amerikaner kurz vor der finalen Glocke mit einer Linken auf die Bretter (siehe Video, Timecode: 18:05). Chambers, der zwischendurch eher mit Wrestlingaktionen à la Undertaker anstelle von stringenten Boxaktivitäten auffällt, fehlen nur wenige Sekunden, um zumindest die volle Distanz zu überstehen.
Im November 2015 endet der große Klitschko-Kampf in der Arena nicht wie von den meisten unter den 55.000 Zuschauern erhofft. Außenseiter Tyson Fury – heute längst ein Topstar der Szene – tritt mutig auf, beherrscht den Fight, führt Klitschko mit hinter dem Rücken verschränkten Armen teilweise sogar vor und gewinnt letztendlich nach Punkten. Was im Vorfeld kaum jemand für möglich gehalten hat, tritt durch das einstimmige Urteil ein: Die WM-Titel der Verbände WBA, WBO und IBF wechseln nach England. „Ich muss zugeben, dass Tyson Fury schneller und besser war“, sagt ein zerknirschter Wladimir Klitschko, dessen Karriere nach einer weiteren krachenden Niederlage gegen Anthony Joshua zwei Jahre später ihr Ende findet.
Auch interessant
So lief der Juniorsportler 2024
Düsseldorfer Taekwondo-Power in Bosnien
ART Giants feuern Headcoach Yapicier