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Ist Fortuna ein Spitzenteam?

Zu schwankende Leistungen und zu viele Baustellen

Foto: Kai Kuczera

von Norbert Krings

ANALYSE Fortuna Düsseldorf war überraschenderweise neben dem Hamburger SV das Team mit den meisten Nennungen, als nach den Aufstiegsfavoriten vor dem Start der 2. Fußball-Bundesliga gefragt worden war. Dabei sind die Etatzahlen des Traditionsklubs nicht so, dass automatisch von einem Platz unter den ersten beiden Klubs der Endtabelle ausgegangen werden kann.

Auch beim Marktwert der Mannschaft liegt die Fortuna zwar im Vorderfeld, aber vier andere Klubs – Bielefeld, Hamburg, Fürth und St. Pauli rangieren in dieser Statistik vor den Düsseldorfern. Doch was macht die Fortuna in den Augen der Konkurrenz zu einem Aufstiegsfavoriten, und ist Fortuna tatsächlich ein Spitzenteam?

Wie gut ist die Mannschaft wirklich besetzt?
Fortuna Düsseldorf hat eine für die 2. Bundesliga überdurchschnittlich gut besetzte Mannschaft. Doch das hatte sie zum Ende der vergangenen Saison auch bereits und hatte sich damals eindrucksvoll in der Tabelle nach oben gearbeitet. Mit ein wenig Verstärkung sollte die Mannschaft noch mehr an Qualität gewinnen. Doch die Bilanz der Sommer-Verpflichtungen fällt bisher eher mager aus. Benjamin Böckle, Michal Karbownik und Kwadwo Baah waren und sind keine Spieler, die sofort helfen, sondern sie sind allenfalls eine Ergänzung des Kaders in der Breite und keine direkte Verstärkungen, die die Qualität deutlich anheben.

Bei Jorrit Hendrix sieht das etwas anders aus. Er ist ein international erfahrener Spieler, der eigentlich der Mannschaft Sicherheit und Qualität im Aufbauspiel verleihen sollte. Vielleicht muss man dem Niederländer Zeit geben. Aber an den Leistungsstand von Marcel Sobottka oder Ao Tanaka in guter Form reicht Hendrix (noch) nicht heran. So profitierte die Mannschaft eher von den Festverpflichtungen des Japaners und von Jordy de Wijs. Allerdings sind beim derzeit verletzten Abwehrspieler auch Schwächen deutlich geworden, die man bei ihm in der Restsaison 2021/22 nicht gesehen hatte. Nun stellt sich die Frage, ob er da überperformt hat oder zuletzt in einem Leistungstief steckte.

Wird die Mannschaft überschätzt?
Vom Potenzial und der individuellen Klasse der einzelnen Spieler sollte eine Platzierung im oberen Tabellenbereich sicherlich drin sein. Doch noch greifen nicht alle Rädchen ineinander. Dass alle elf Spieler in Topform sind, konnten die Fans im bisherigen Saisonverlauf noch nicht feststellen. Der Eindruck, dass alles wie aus einem Guss abläuft, ist nicht aufgekommen. Die Mannschaft macht weiterhin noch zu viele Fahler, hat nicht die Ruhe und Souveränität, die zu einem Team mit so viel Erfahrung passen würde. Vielleicht werden einzelne Spieler von außen überschätzt, aber mit dieser Mannschaft ist auf jeden Fall mehr möglich, als nur im zweiten Drittel der Tabelle mitzuschwimmen.

Ist der Trainer der Richtige für Fortuna?
Zweifel, dass Daniel Thioune vielleicht doch nicht der richtige Trainer für diese Mannschaft ist, hat in Düsseldorf niemand. Doch auch der 48-Jährige kann nicht über Wasser gehen oder Wunder bewirken. Seine Mannschaft spielt aber immer noch nicht den Fußball, den sich der Trainer vorstellt. Allerdings ist auch bei den Verstärkungen sein Wunsch nach einem erfahrenen und sehr schnellen Spieler nicht erfüllt worden. Auch Thioune leidet immer noch unter der Tatsache, dass Khaled Narey nicht mehr für die Fortuna spielt und ihm der Garant für durchdachte und erfolgreiche Offensivaktionen nicht mehr zur Verfügung steht. Ersatz gab und gibt es in absehbarer Zeit nicht. Ein weiteres Problem war und ist für den Trainer, dass sich ständig neue Baustellen öffnen. Mangelnde Effizienz, Fehler beim Rückzugsverhalten oder die hohe Zahl der unnötigen Ballverluste sind Beispiele dafür. Thioune arbeitet daran, das Profil der Mannschaft zu stärken und einen Spielstil zu finden, mit dem die Spieler am besten zurechtkommen.

Wie sehr beeinflussen die Verletzungen die sportlichen Ziele?
Das aktuellste Problem der Fortuna ist das Verletzungspech und der Ausfall von gleich sechs oder sieben Stammspielern für das nächste Spiel gegen Rostock am Samstagabend. Der Trainer sagt, dass sich jetzt beweisen muss, wie stark der Kader und wie gut er in der Breite wirklich aufgestellt ist. Die Innenverteidigung 1b mit Christoph Klarer und Tim Oberdorf sollte ebenso bestehen können wie das Mittelfeld nach der Rückkehr von Ao Tanaka und Shinta Appelkamp ins Team. Falls auch Rouwen Hennings (Fersenprobleme) ausfallen sollte, wird es schon enger. Ob der gerade erst wieder einsatzbereite Emma Iyoha und der in der U23 treffsichere Nana Ampomah helfen können, ist eher ein frommer Wunsch als planbare Gewissheit.

Warum bringt die Fortuna ihre PS nicht auf den Rasen?
Es drängt sich tatsächlich der Eindruck auf, als hätte der Fortuna-Kader deutlich mehr Potenzial, als es die Spieler auf dem Platz zeigen. Die Hoffnung, dass die zweite Hälfte und die vier Tore gegen Regensburg der Mannschaft den Druck nehmen würden, hat sich nicht erfüllt. Es folgte zwar ein guter spielerischer Vortrag in Heidenheim. Aber er war wegen der fehlenden Tore eben nicht perfekt und raubte dem Team wegen der Verletzungen und der Last-Minute-Niederlage sogar noch Selbstvertrauen. Die Fortuna muss schneller und dabei ballsicherer spielen. Das Kombinationsspiel ist absolut ausbaufähig. Auch ein Abschluss aus größerer Entfernung wäre vielleicht einmal hilfreich. Die Erinnerung an einen Treffer außerhalb des Strafraum fällt schon erstaunlich schwer.

Wie sehen die Perspektiven aus?
Angesichts der Verletzungs-Problematik wäre es gut, wenn die Fortuna bis zur frühen Winterpause den Anschluss an die oberen Bereiche der Tabelle halten könnte, um dann im Neuen Jahr wieder angreifen zu können. Und das muss mit dem Personal passieren, das nun zur Verfügung steht. Eine Position, auf der es ganz schlimm hakt, gibt es bei Fortuna nicht – wenn man von den Problemen auf dem linken Flügel einmal absieht. Eine Siegesserie ist derzeit kaum vorstellbar, würde aber vielleicht dann endgültig den Schalter für ein Team umlegen, das offensichtlich noch nicht weiß, wie es das vorhandene Potenzial erfolgsversprechend auf den Platz bringen kann.

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