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„Für Blinde sind wir informativer als Sky“

Interview: Fabian Wienhausen ist Blindenreporter bei Fortuna

Foto: Privat

von Norbert Krings

Fortuna Düsseldorf ist ein Verein, der nicht nur an Tore, Punkte, Aufstieg, Bundesliga und Profit denkt. Der Traditionsklub hat sich zudem vielen sozialen Projekten gewidmet, um in der Stadt nicht nur als Sportverein im Profibereich wahrgenommen zu werden. Dass die Spiele der Fortuna jeweils von zwei Blinden-Reportern kommentiert und begleitet werden und auch der Audiostream im Internet abrufbar ist, wissen die wenigsten. Obwohl derzeit keine Zuschauer ins Stadion dürfen, sind die Blindenreporter bei den Heimspielen vor Ort. Wir sprachen mit Fabian Wienhusen, einem von fünf ehrenamtlichen Mitarbeitern in diesem Team.

Herr Wienhusen, warum gibt es derzeit Blindenreportagen, obwohl keine blinden Menschen im Stadion sind?

Fabian Wienhusen: Bereits in der dritten Saison läuft die Blindenreportage inzwischen in der Fortuna-App als Livestream. Viele Blinde wollen auch weiterhin lieber das Spiel mit unseren Kommentaren verfolgen und sich den Stream anhören. Deswegen sind wir weiterhin aktiv und vor Ort. Die Reportage ist viel informativer als beispielsweise eine Übertragung bei Sky.

Welche Unterschiede gibt es da?

Wienhusen: Wenn man die Augen schließt und nur den Ton bei Sky verfolgt, kann man nicht ermessen, was gerade auf dem Rasen passiert. Das geht überhaupt nicht. So ist Sky keine Alternative. Wir versuchen auf Ballhöhe zu bleiben, um den Blinden das Spiel vor Augen zu führen. Dazu gehört eine genaue Verortung des Spielgeschehens, wo sich also der Ball gerade befindet und welche Spieler an den Aktionen beteiligt sind. Das Spielfeld wird dazu in Parzellen eingeteilt. Es wird alles viel genauer beschrieben, auch wo sich zum Beispiel die Spieler bei Ecken positionieren und wie viele Akteure an Angriffsaktionen beteiligt sind.

Das bedeutet 90 Minuten Dauer-Reportage?

Wienhusen: Ganz so arg ist es nicht. Wir sitzen zu zweit auf der Tribüne und wechseln uns auch entsprechend ab. Wir versuchen so nach sieben, acht Minuten bei passender Gelegenheit zu wechseln.

Fabian Wienhusen hat großen Spaß an dieser Aufgabe. Foto: F95

Wird deutlich, wie viele Zuhörer insgesamt und wie viel blinde Fans Ihre Übertragung verfolgen?

Wienhusen: Leider wissen wir das nicht. Es stehen 20 Plätze für Blinde in der Arena zur Verfügung, davon werden 13 oder 14 von Dauerkarten-Inhabern in Anspruch genommen. Das sind die Leute, die uns zuhören. Aber es lohnt sich auch für jeden Einzelnen.

Wie ist die Resonanz auf die Reportagen?

Wienhusen: Früher saßen wir zusammen mit den blinden Fans auf der Tribüne im Block 1, dann sind wir auf die Pressetribüne umgezogen, als der Stream dazukam und wir ein Laptop dafür benötigten. Wir versuchen aber, vorher und so schnell wie möglich nach dem Spiel runter in Block 1 zu kommen, um in Kontakt zu bleiben und das direkte Feedback zu bekommen. Die blinden Menschen, die im Stadion sind, erhalten an unserer Ausgabestelle am Blockeingang einen Extra-Empfänger. Denn der Stream kann leicht verzögert sein, so dass die Geräusche im Stadion nicht mehr richtig zuzuordnen sind. Das können mehrere Sekunden Unterschied sein.

Gibt es engeren Kontakt mit den Zuhörern?

Wienhusen: Wir haben gerade unser Jubiläum gefeiert und sind jetzt zehn Jahre dabei. Ich selbe mache das seit 2014. Natürlich hat man dann einen guten Kontakt und tauscht sich regelmäßig aus. Aber es sind auch Gasthörer dabei oder Gelegenheits-Gäste.

Stefan Felix ist Behindertenbeauftragter der Fortuna. Foto: F95

Der Austausch ist uns extrem wichtig. Unser größter Kritiker im positiven Sinne ist Stefan Felix, der Behindertenbeauftragte der Fortuna, der selbst blind ist und das ganze Projekt mit ins Leben gerufen hat. Und wir versuchen noch andere Dinge zu verwirklichen, wie Besuche beim Eishockey. Wir waren beim Tour-de-France-Start oder beim Rosenmontagszug mit den blinden Fans oder dem Skispringen in Willingen.

Unterstützt der Verein bei dieser Aufgabe?

Wienhusen: Da ist zum Beispiel Paul Jäger zu nennen, der uns sehr unterstützt hat. Verschiedenen Vorständen in der Vergangenheit war unsere Arbeit allerdings nicht ganz so wichtig. Etwas mehr Unterstützung kann man sich immer vorstellen, aber wir können uns im Vergleich zu anderen Klubs überhaupt nicht beschweren, da auch die Technik für uns vorbereitet wird und wir auch die Kleidung für unseren Job gestellt bekommen haben.

Ist die Blindenreportage von der Deutschen Fußball Liga verbindlich vorgeschrieben?

Wienhusen: Die DFL hat es mindestens seit drei Jahren vorgeschrieben, dass jeder Verein eine Blindenreportage vorweisen muss. Die Fortuna hatte dies aber schon vorher und auch unterklassig angeboten. Wie das gemacht wird, ist bei jedem Verein unterschiedlich. Wir machen das ehrenamtlich, und es ist eine Selbstverständlichkeit, weil wir das gerne tun. Es gibt aber auch Vereine, die ihre Leute dafür bezahlen. Auswärts sind wir nicht vertreten.

Wie sind Sie zum Blindenreporter geworden?

Wienhusen: Ich komme eigentlich vom Eishockey, habe beim Fanradio der DEG mitgearbeitet und wurde gefragt, ob ich Interesse hätte, Ähnliches bei der Fortuna zu machen. Am Anfang gab es leichte Probleme mit Puck und Ball. Aber irgendwann habe ich mich dann ganz auf den Fußball konzentriert und finde auch den Gedanken der Inklusion sehr wichtig. Es ist einfach eine gute Sache und daher habe ich mich darauf ganz konzentriert, ohne die Familie zu vernachlässigen.

Sie sprechen sehr akzentuiert. Gibt es da eine Ausbildung?

Wienhusen: Da kommt mir meine Arbeit als Teamleiter in einem Dax-Konzern zugute. Da muss man auch gut reden können und man kann sich das antrainieren, denn früher war ich ein sehr schüchterner Mensch. Es gab Schulungen durch den Arbeitgeber. Aber auch die DFL bietet Seminare und Workshops für Blindenreporter an. Es gibt zudem spezielle Sprachtrainer. Es ist alles eine Trainingssache, und inzwischen rede ich gerne.

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