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„Dieser Film ist ein Herzensprojekt“

Die Produzenten des neuen Fortuna-Films im Interview

Foto: Fortuna

von Tobias Kemberg

Am Samstag erlebt der Jubiläumsfilm „125 Jahre Fortuna Düsseldorf“ seine große Premiere. Das fast dreistündige und in sechs Epochen unterteilte Werk beschreibt die Geschichte des Fußball-Zweitligisten von seiner Gründung bis zur Gegenwart. Im großen Interview mit der Sportstadt Düsseldorf sprechen die beiden Produzenten Mathias Brühl und Ingo Krausen über den notwendigen langen Atem während der Entstehungsphase, die Idee zu den Komparsen-Szenen, Diskussionen über das, was unbedingt in den Film gehört und welcher Teil der Fortuna-Historie für sie der emotionalste ist.

125 Jahre Fortuna Düsseldorf“ feiert am Samstag Online-Premiere. Wie ist die Idee zum Film entstanden und wie lange hat die Produktion gedauert?

Mathias Brühl: Das erste Mal über einen Film, der die gesamte Geschichte des Vereins abbildet, haben wir bei der Saisoneröffnung 2018 gesprochen. Nach dem Aufstieg in die Bundesliga hatte Ingo zu mir gesagt, dass es so etwas bisher ja noch nicht gibt. In diesem Moment stand Tom Koster von Fortunas Geschichts-AG dabei und sagte: Jungs, ihr wisst ja, was in zwei Jahren ist. Dann haben wir aber nicht sofort angefangen, dieses Projekt zu planen. Ein paar Monate später ist Ingo noch mal auf mich zugekommen und fragte, ob wir diese Idee nicht mal verfolgen wollten. Anfang 2019 sind wir das erste Mal auf den Verein zugegangen. Operativ begonnen haben wir im April 2019. Seitdem haben wir daran gearbeitet. Eigentlich sollte der Film im Mai 2020 zum 125. Geburtstag fertig sein, aber dann kam Corona dazwischen.

Ingo Krausen: Der Film „Fortunas Legenden“ ist ein richtig guter Film, der sich auch mit der Historie des Vereins befasst. Aber dabei fehlten natürlich die Zeitzeugen aus den ganz frühen Epochen der Vereinsgeschichte. Daher kamen wir auf die Idee, einen Film zu machen, der sich auch mit den Anfängen des Vereins beschäftigt. Gerade die Gründungszeit der Fortuna finde ich persönlich enorm spannend. Mit diesem Film habe ich mich damit das erste Mal wieder konkreter und tiefgehender auseinandergesetzt.

Lässt sich die Anzahl der Arbeitsstunden für so einen Streifen zumindest halbwegs konkret beziffern?

Krausen: Nicht konkret, einfach weil es viele Helfer gegeben hat und du dir selbst die Frage stellen musst: Wann hört die Arbeit auf und wann fängt das Hobby an? Du beschäftigst dich abends auf der Couch mit dem Smartphone noch mit einem bestimmten Thema, weil dich das besonders beschäftigt. Ist das jetzt Arbeitszeit oder ist das Freizeit?

Der Film ist in sechs Epochen unterteilt. Gleich in der ersten fallen vor allem die selbstgedrehten Schwarz-Weiß-Aufnahmen auf. Wie sind die entstanden?

Krausen: Wir wollten Fans die Möglichkeit zu geben, Teil des Films zu werden. Uns war klar, dass wir dafür keine professionellen Schauspieler nehmen. Auch Sponsoren sollten damit die Gelegenheit erhalten, sich zu präsentieren und einen Teil des Films zu refinanzieren. Wir sind aber nicht offensiv in die Werbung gegangen, sondern haben konkret Leute angesprochen, die zu diesem Projekt passen.

Brühl: Am Ende ist es bei den Komparsen-Szenen eine schöne, bunte Mischung geworden. Mit Leuten aus der Fanszene, von Partnern und von Mitarbeitern. So war das eine schöne und runde Geschichte.

Ingo Krausen (l.) und Mathias Brühl. Foto: Fortuna

Wo sind die historischen Dokumente und Fotos her?

Krausen: Ein Großteil der Fotos stammt von der Geschichts-AG der Fortuna. Dabei haben wir intensiv mit Tom Koster und Friedrich Schacht zusammen gearbeitet. In etwa ab der 1960er Jahre bietet die Fotoagentur Horstmüller natürlich eine Menge. Spannend war auch Sammlern wie Bernd Bremer, der über ein großes Archiv verfügt, und Fußballverrückten wie Norbert Nussbaum zu begegnen. Der ist quer durch Deutschland gefahren und hat in Archiven Zeitschriften und Zeitungen abfotografiert. Echte Schätze kamen zudem über das Filmmuseum zum Vorschein, vor allem die filmischen Aufnahmen des alten Düsseldorf, die unseren Film bereichern. Auch das Stadtarchiv sollte an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben.

Der Film ist fast drei Stunden lang. War das die ursprünglich angedachte Obergrenze oder wurde diese mit 175 Minuten sogar überschritten?

Brühl: Ursprünglich sollte der Film 125 Minuten lang werden. Aber wir haben sehr schnell gemerkt, dass wir viele coole Geschichten herausnehmen müssten, wenn wir diese Marke krampfhaft halten wollen. Deswegen haben wir uns dann keine Grenze gesetzt, sondern uns dazu entschieden, den Film so zu produzieren, wie er sein muss, aber eben nicht länger als nötig. Wenn die Leute hören, der Film dauert drei Stunden, könnten sie im ersten Moment schon denken: Das wird aber vielleicht langatmig. Aber ich bin felsenfest davon überzeugt, dass jeder Fortuna-Fan zu keinem Zeitpunkt auf die Uhr schaut und sich fragt, wie lange es denn noch ist? Durch die Machart ist der Film ausgesprochen kurzweilig. Wir verlieren uns nicht in Interviews, in denen drei, vier oder fünf Minuten geredet wird. Der Film hat ein hohes Tempo.

Gab es denn viele Diskussionen darüber, was unbedingt rein muss und worauf eher verzichtet werden kann?

Brühl: Es gab nie Streit, ob irgendetwas rein oder raus soll. Jeder von uns hat größtenteils drei der sechs Epochen bearbeitet. Am Anfang mussten wir aus wenig Material ganz viel herausholen und hinten raus in der sechsten Epoche wurdest du regelrecht erschlagen. Der Film „Nie mehr Oberliga“ beschreibt beispielsweise die zwei Jahre in der vierten Liga in zweieinhalb Stunden. Und jetzt bekommt diese Oberliga-Zeit nur wenige Minuten.

Krausen: Bei den ersten Epochen waren es Entscheidungen anderer Art, die wir zu treffen hatten. Da gab es zum Teil schöne Anekdoten, aber kein Foto oder vielleicht nur ein Bild dazu. Teilweise hatten wir schon unterschiedliche Ansätze. Die erste Vereinsepoche ist zwölf Minuten lang, die letzte dauert rund eine Stunde. Das ist natürlich der Menge des vorhandenen Materials geschuldet, aber auch, weil man sagt, als Fan hast du die letzten Jahre miterlebt. Da gibt es eine höhere emotionale Bindung und das holt die Leute mehr ab. Das Emotionale fehlt im Fußball ja derzeit ungemein. Aber uneinig sind wir uns grundsätzlich nie gewesen. Mir gefällt beispielsweise die vierte Epoche einfach sehr, weil sie unter anderem erstmals konkrete Einblicke in die Fanwelt bietet. Und weil sie sich mit der erfolgreichsten Zeit des Klubs befasst – mit den großartigen Siegen gegen die Bayern, dem Finale in Basel und den Pokalsiegen. Die Tore aus dieser Zeit zu sehen, hebt sofort die Laune. Und dann kommt Epoche fünf (lacht).

Brühl: Ein gutes Beispiel aus der letzten Epoche ist das Niederrheinpokal-Halbfinale in Krefeld und die spätere Finalniederlage gegen Essen. Der Sprechertext zu dieser Szene war bereits geschrieben. Aber das sind dann so Sachen, die den Film ein oder zwei Minuten länger machen. Und dann hast du schnell 20 dieser Geschichten und das Ganze wird schon wieder eine halbe Stunde länger. Daher fiel das beispielsweise hinten über.

Fortuna ist für euch Herzenssache. Wird die Liebe zum Klub mit so einem Projekt eigentlich noch einmal größer?

Brühl: Es ist wie in jeder guten Beziehung ein Auf und Ab. Es gibt absolute Highlight-Momente in unserer Beziehung mit der Fortuna. Und dann denkst du: Das ist das geilste Projekt auf der Welt. Andererseits sollte der Film ja schon vor einem Jahr fertig werden. Es hat sich einfach sehr lange hingezogen und da hast du dir schon mal gewünscht, endlich zum Abschluss zu kommen. Wenn die Leute den Film jetzt gesehen haben und wir das Feedback bekommen, dann sind wir mit Sicherheit nur noch stolz drauf. Dieser Film ist ein Herzensprojekt.

Krausen: Ich renne jetzt schon seit fast 30 Jahren zu dem Verein. Auch für mich ist es daher ein emotionales Projekt. Mir wird dann noch mal bewusst, wie viel man seither erlebt hat. Selbst die Zeit, als die Fortuna am Flinger Broich spielte und am Boden lag, verbinde ich mit geilen Momenten. Fortuna ist ein Verein, der immer wieder aufsteht. Das bedingt aber auch, dass Fortuna immer wieder am Boden liegt. Ein Vereinsfilm zu 125 Jahre FC Bayern München würde sicherlich ganz andere Geschichten erzählen. Wir haben nun mal nicht viele Erfolge. Wir sind auch ein bisschen geprägt von diesem „jetzt könnte es mal gut werden und dann stürzen wir doch wieder ab“.

Wie oft gerät man während der Durchsicht des Materials und während der Produktion selbst ins Schwärmen? Und welche Episode war für euch die spannendste oder emotionalste?

Brühl: Ich bin seit 25 Jahren eng mit der Fortuna verbunden. Die Aufstiege 2004, 2009 und 2012 zählen deshalb auf jeden Fall zu den emotionalsten Erlebnissen. Ich habe diese Bilder alle schon tausendfach gesehen. Aber die jetzt wieder zu schneiden, das war trotzdem wieder geil. Vor ein paar Tagen wollte ich mir die Bilder des chaotischen Bundesligaaufstiegs von 2012 wieder anschauen. Und dann bin ich im Film wieder hin und her gesprungen und habe mir letztlich wieder eine Dreiviertelstunde davon angeguckt. Diese Bilder wecken die Emotionen aus dieser Zeit. Am spannendsten waren für mich Epoche vier und fünf, also die Zeit von 1971 bis 1987 und von 1987 bis 2002. Als Fan weißt du, die Siebziger Jahre waren mit dem Europapokalfinale und den DFB-Pokalsiegen groß. Aber wieso ist es dann eigentlich so abwärts gegangen mit dem Verein? Es ging ja abgesehen von einigen Zwischenhochs immer nur abwärts.

Krausen: Bei mir ist das sehr unterschiedlich. Ich finde die beiden ersten Epochen von 1895 bis 1920 und von 1920 bis 1945 megainteressant. Die sind nicht so emotional, weil sie langsamer erzählt sind. Aber da finde ich vieles informativ und wichtig. Zum Beispiel die Geschichten um die Vereinsfarben oder den Vereinsnamen. Da geht mir schon das Herz auf. Die letzte Epoche von 2002 bis heute ist für mich zeitlich noch zu nah. Sie ist zwar emotional, aber andere sind es vielleicht einfach ein Stück weit mehr. Ich fand es schöner und spannender, in den anderen Epochen für mich bisher unbekannte Geschichten zu entdecken.

Brühl: Der Ingo hat eben nicht so gerne Erfolg. . . (lacht)

Krausen: Genau. Ich passe mich grundsätzlich eher der Historie des Vereins an (lacht).

Grafik: Fortuna

Was erwartet die Fans bei der Online-Premiere am Samstag?

Brühl: Es wird ein kleines Vorprogramm und im Vorfeld des Films ein Making-of geben. Bei einer Premiere in einem Kinosaal wäre das ja auch so vorgesehen. Es ist sicherlich schade, dass wir diese Möglichkeit aufgrund der Pandemie nicht haben. Aber wir freuen uns sehr auf die Premiere und hoffen auf viele Fans, die am Samstag mit dabei sind.

Wann gibt es denn den nächsten Film? Nach dem nächsten Aufstieg?

Brühl: Nachdem ich jetzt so lange an diesem gearbeitet habe und während der laufenden Produktion den vorherigen Saisonfilm „Abstiegskandidat Nummer 1“ sozusagen dazwischen gequetscht habe, brauche ich jetzt mal eine Pause. Fortunas Geschichte ist jetzt erzählt. Da müssten schon wieder glorreiche Zeiten kommen (lacht). Ich habe auch schon gedacht, das könnte nach drei Filmen für den Verein und mit den Fan-Filmen insgesamt zehn Stück nun ein guter Abschluss für mich sein. Aber man soll niemals „nie“ sagen. Ich bin beispielsweise noch nie in einem Finale im Olympiastadion gewesen.

Krausen: Ich würde einen weiteren Film sowieso nur mit Mathias zusammen machen und sage jetzt einfach mal: Frühestens zum 150. Geburtstag der Fortuna oder dem Gewinn der Champions League.

INFO: „125 Jahre Fortuna Düsseldorf“ ist für alle Fans am Samstagabend (ab 19 Uhr) über die Videoplattform „Vimeo“ zu sehen. Das Ticket für die exklusive Online-Premiere kostet 14,95 Euro. Darüber hinaus kann die DVD/Blu-Ray ab sofort zum Preis von 24,95 Euro im F95-Onlineshop vorbestellt werden. Der Versand erfolgt ab dem 29. März.
Hier geht es zur Online-Premiere.

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