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„Die Versorgung ist oft nicht professionell“

Der Düsseldorfer Arzt Dr. Markus Granrath über medizinische Betreuung im Sport

Foto: Gemeinschaftspraxis Königsallee

von Bernd Schwickerath

Milde Symptome, keine echten Probleme – wenn Profisportler mit Corona infiziert sind, hört man häufig dieselben Aussagen. Bei Janik Möser ist das anders, zwar fühlte sich auch der Eishockeyprofi aus Wolfsburg (am Samstag Gegner der DEG) nach der Infektion fit, doch dann wurde eine Herzmuskelentzündung festgestellt. Muss der Sport umdenken?

Janik Möser ist dafür, er hat seinen Fall öffentlich gemacht, will Kollegen und Klubs über die möglichen Langzeitfolgen einer Corona-Infektion „die Augen öffnen“, wie er sagt. Auch die Deutsche Eishockey Liga hat reagiert und einen Fahrplan erstellt, welche Untersuchungen nach der Quarantäne gemacht werden sollten. Das ist ganz im Sinne von Dr. Markus Granrath. Der Düsseldorfer Sportmediziner fordert seit längerem, dass im Profisport, aber auch im Jugend- und auch Breitensport, mehr in medizinische Analysen und Prävention investiert wird. Ein Interview.

Herr Granrath, wie bewerten Sie den Fall Janik Möser? Kommt der für Sie überraschend oder musste man früher oder später damit rechnen, dass Corona auch bei einem jungen Leistungssportler langfristige Folgen haben kann?

Markus Granrath: Im Prinzip kommt es bei jeder Erkrankung, sei es ein grippaler Infekt oder eine Corona-Infektion, zu einer Schwächung des Körpers. Und je nach dem, wie anfällig der Patient ist oder ob die Infektion verschleppt wird, kann sie jedes Organ angreifen. Trotzdem ist das jetzt eher ein seltener Einzelfall.

Bisher hörte man immer von milden Symptomen, den Aktiven könne kaum etwas passieren. Beweist Janik Möser nicht, dass das Thema verharmlost wurde?

Granrath: Bisher ist es in der Tat so, dass die schweren Verläufe bei Menschen unter 50 einen geringen Anteil ausmachen. Und wenn Sportler auch noch gut im Training sind, sich gut ernähren und keine Nebenerkrankungen haben, betrifft sie das eher selten. Eine Infektion ist ja noch keine Erkrankung, erst wenn Symptome auftreten, kann man von einer Krankheit reden. Hat man nur den Erreger in sich, kann man recht schnell in den Sportbetrieb zurückkehren, es geht primär dann darum, das Virus nicht zu verbreiten.

Trotzdem hat die DEL nun reagiert. Spieler sollen eben nicht einfach aufs Eis zurückkehren dürfen, auch wenn sie selbst sagen, sie fühlten sich fit. Die Liga will noch diverse EKGs und andere Untersuchungen sehen. Übertriebene Vorsicht oder befürworten sie das?

Ganrath: Ich befürworte grundlegende Untersuchungen auf jeden Fall. Und zwar nicht nur mit Blick auf Corona. Ich glaube, dass wir im deutschen Profisport generell noch sehr zurückhaltend sind, was medizinische Betreuung anbelangt, gerade in der Kontrolle und Prävention. Es passiert zwar nicht häufig, aber es gab immer wieder, auch bei jüngeren Sportlern, Todesfälle – auch durch Herzerkrankungen, die vorher nicht entdeckt wurden. Ich sehe einen allgemeinen Missstand, die Versorgung ist oft nicht professionell.

Aber wenn man Mannschaftsfotos oder die Internetseiten der Vereine sieht, entdeckt man eine Fülle an medizinischem Personal: Ärzte, Physiotherapeuten, Masseure, Psychologen, spezielle Fitnesstrainer. Geht es Ihnen also nicht um die Anzahl der Mitarbeiter, sondern um die Art und Weise der Betreuung?

Granrath: Das ist sehr unterschiedlich. Schauen wir mal auf den größten Bereich, den Profifußball. Haben die Vereine wirklich festangestellte Ärzte oder stehen die zwar auf einer Mitarbeiterliste, tauchen aber nur am Spieltag auf oder behandeln nur verletzte Spieler? Selbst bei Bayern München, wo der bekannte Dr. Müller-Wohlfahrt lange Zeit war und sich sicherlich viel Mühe gegeben hat, war der Arzt nicht festangestellt. Übrigens zum Leidwesen vom damaligen Trainer Guardiola, der aus Barcelona gewohnt war, dass es festangestellte Ärzte gibt, die Tag und Nacht für die Betreuung da sind. Auch in England, Italien und Spanien ist das in den Topklubs so. Das haben wir hier im breiten Maße nicht. Es entwickelt sich zwar langsam, aber bei vielen wird vielleicht zweimal im Jahr ein grundlegender Gesundheitscheck gemacht. Und ob dann immer genau internistisch und orthopädisch untersucht wird? Das sehe ich noch viel Optimierungsbedarf. Gerade unter der Voraussetzung, wie heute trainiert und wie viel gespielt wird.

Das ist ja besonders im Corona-Jahr zu sehen. Im Fußball gibt es fast nur noch englische Wochen, auch im Eishockey stehen wegen des späten Saisonstarts viele Spiele in kurzer Zeit an. Ist das während einer Pandemie noch gefährlicher?

Granrath: Nicht wirklich, Corona kann einen befallen, aber allgemein ist die Leistungsfähigkeit der Sportler dieses Jahr ja nicht eingeschränkt. Mir geht es wie gesagt um ein grundsätzliches Umdenken. Wir haben hier in unserer Praxis ein modernes Bewegungslabor integriert, in dem Sportwissenschaftler analysieren  und nicht nur bei Breitensportlern, sondern auch bei Profisportlern erhebliche Defizite aufdecken. Wenn man das täglich sieht, dann ist es verwunderlich, warum kein Profiverein über eine ähnliche Einrichtung verfügt.

Die Leistungsdiagnostik hat sich in den vergangenen Jahren aber ja enorm weiterentwickelt…

Granrath: Aber nicht die medizinische Betreuung. Und die könnte wiederum in Corona-Zeiten helfen. Wie den Sportler die Infektion wirklich betrifft, können wir aktuell schwer sagen. Die meisten kommen ohne Symptome relativ schnell zurück, aber eine richtige Kontrolle für die Einschätzung der Lage wäre schon wichtig. Nicht einfach ein zweiter negativer Test nach fünf Tagen und dann wieder Vollgas. Das ist generell gefährlich, auch bei einer einfachen Grippe.

Jetzt haben wir natürlich das Problem, dass gerade junge Sportler ihren Körper gern überschätzen. Ich fühle mich fit, also habe ich auch nichts. Braucht es neben dem Umdenken in den Klubs nicht auch eins bei den Sportlern?

Granrath: Absolut, die meisten wissen leider sehr wenig. Das fängt bei Kindern und Jugendlichen an. Auch in Schulen bis hin zum Nachwuchsbereich bei den Vereinen ist eine medizinische Betreuung nahezu nicht vorhanden, wenn überhaupt, dann nur sehr eingeschränkt oder miserabel. Vielleicht ist mal ein Arzt bei einem Spiel dabei. Aber gerade bei den Topvereinen, die Leistungssport betreiben und schon Zwölfjährige verpflichten, muss viel genauer hingeschaut werden. Meistens passiert das erst, wenn sie Profis werden. Aber Verletzungen oder Erkrankungen passieren häufig schon viel früher. Und wer guckt, wenn er einen 16-Jährigen verpflichtet, wirklich genauer nach, ob der etwas Tieferliegendes hat? Einen angeborenen Herzfehler oder irgendwas anderes kann es immer geben. Und selbst bei den Profis, wo viel Geld für Gehälter der Spieler ausgegeben wird, wird häufig nur ein- oder zweimal im Jahr nachgeschaut, dann ist das Thema für die meisten Klubs auch schon wieder gut.

Das heißt: So traurig das für den Eishockeyspieler Janik Möser nun ist, eine ernsthafte Erkrankung davongetragen zu haben, dass er nun den Appell an seine Kollegen richtet, Corona erst zu nehmen und sich gründlich durchchecken zu lassen, ist für den Sport im Endeffekt positiv?

Granrath: Ja, in den Menschen, und vor allem in seine Gesundheit, zu investieren, zahlt sich immer aus. Auch finanziell, was den Vereinen ja immer besonders wichtig ist. Wenn sie eine gute medizinische Abteilung haben oder sich selbst im Breitensport medizinisch und sportwissenschaftlich betreuen lassen, sorgen die Untersuchungen dafür, dass die Sportler möglichst gesund und fit bleiben und sich möglichst nicht verletzen oder erkranken. Man sollte nicht erst genau hinschauen, wenn der Sportler schon umgefallen ist.

Zur Person: Markus Granrath ist Orthopäde und Sportmediziner bei der Gemeinschaftspraxis Königsallee sowie ärztlicher Leiter des Bewegungslabors Königsallee. Als ehemaliger Deutscher Meister im Polo und passionierter Golfer betreut er mit seinem Team, das aus zwölf Fachärzten, zwei Sportwissenschaftlern und weiteren Mitarbeitern besteht, auch Breiten- und Leistungssportler.

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