D.SPORTS

Home of Sports

„Mehr gelernt als nach einem Sieg“

Timo Rost

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

von Piet Keusen

Sechs Nächte hat Timo Rost inzwischen drüber geschlafen. Der Muskelkater ist verflogen. Jetzt beginnt die Aufarbeitung des Boxkampfes gegen Gino Kanters. Und da gibt es einiges: Ein Niederschlag, das falsche Ergebnis, das der Ringrichter zunächst verkündet hatte und schließlich das zweite Unentschieden der noch jungen Karriere. Er hätte auch eine Niederlage akzeptiert, berichtet der Düsseldorfer.

Es gab ja gleich zwei Premieren im Kampf gegen Kanters. Erst der Niederschlag in Runde fünf, dann verkündet der Ringrichter eine Niederlage. Wie haben Sie das erlebt?

Nachdem der Ringrichter die Niederlage verkündet hatte, war ich geschockt, das sieht man auch auf dem Video. Ich hatte den Kampf anders wahrgenommen. Aber ich halte nichts davon, sich über ein Urteil zu beschweren, das Gefühl kann nämlich trügerisch sein. Deswegen habe ich mich nicht beschwert, als zunächst der Sieg für Kanters verkündet wurde.

Wie hatten Sie den Kampf wahrgenommen?

Kanters hatte die klareren Treffer, aber wenn man es boxerisch sieht, habe ich die meisten Runde gewonnen aufgrund der Anzahl der Treffer. Gut, Runde eins und zwei habe ich ganz klar verpennt. Dann gab es den Niederschlag in Runde 5. Damit waren mindestens drei von acht Runden für Kanters gewertet. Dadurch war alles sehr knapp. Von daher hätte ich jedes Urteil akzeptieren müssen. Das Unentschieden geht aber in Ordnung.

Sie haben den Kampf inzwischen im Video gesehen. Wie bewerten Sie das?

Ich kann nachvollziehen, dass Zuschauer sagen, Kanters habe gewonnen. Ich kann aber auch nachvollziehen, dass Zuschauer sagen, ich habe trotz des Niederschlags gewonnen. Ich hätte jedes Ergebnis akzeptieren müssen. Fest steht: Das war absolut nicht meine beste Leistung. Im Vergleich zur richtig guten Vorbereitung war das wirklich nichts. Wir ergründen gerade als Team, woran es denn lag, dass ich die Leistung nicht abrufen konnte.

Es war auch der erste Niederschlag für Sie. Wie haben Sie den Moment empfunden?

Jeder Punktrichter der Welt hätte das als Niederschlag gewertet, weil es durch die Schlagwirkung passiert ist, dass ich aus dem Gleichgewicht kam. Aber ich habe sofort gemerkt, dass keine Wirkung im Kopf zu spüren war. Ich bin ja sofort wieder hoch gekommen. Von daher war es eher mein Fehler, dass ich dem Ringrichter nicht mitgeteilt habe, dass das kein Niederschlag war, sondern ich nur aus dem Gleichgewicht gebracht wurde. Da schüttelt man normalerweise die Hände oder den Kopf, um genau das zu signalisieren. Da habe ich aber nicht schnell genug geschaltet. Aber das nehme ich jetzt als Erfahrung mit. Es ist eigentlich gut für uns, dass das so früh in der Karriere passiert und nicht, wenn es etwa um die WM geht. Dann sollte man das besser machen…

Hat man Zeit, nach Niederschlägen nachzudenken?

Absolut. Ich erinnere mich ganz genau: Als ich unten war, habe ich kurz nachgedacht, ob das jetzt ein Wirkungstreffer war. Dann muss man nämlich erst einmal unten bleiben, auf einem Knie und warten, bis das Gleichgewicht wieder da ist. Das haben wir im Training sogar geübt. Nach einem Wirkungsschlag muss ich die Zeit ausnutzen, um wieder klar zu kommen. Man muss da ganz bewusst drüber nachdenken. Es darf nicht automatisiert sein, dass man weiter macht. Denn, wenn das wirklich ein Wirkungstreffer war, dann ist man beim nächsten Schlag weg. Aber das war diesmal gar nicht nötig, ich konnte sofort weiter machen.

Was nehmen Sie aus dem Kampf mit?

So viel mehr als aus jedem Sieg bisher. Da passiert so viel in meinem Kopf gerade. Das ist natürlich auch der Druck, der medial auf einem lastet. Bei Facebook und Instagram erreichen mich gerade viele Nachrichten. Viele sehr positive aber auch einige, die sehr böse sind. Das gehört zwar dazu, aber so extrem hatte ich das bisher noch nicht wahrgenommen. Aber auch das ist ein Lernprozess und das stärkt mich, glaube ich, noch mehr als ein Sieg.

Wie geht es weiter für Sie?

Profiboxer würden nach so einem Unentschieden einen Aufbaukampf gegen Fallobst machen (lacht). Aber das will ich nicht. Ich will schnell wieder in den Ring und wieder gegen jemanden boxen, der auch nach oben will. Ich mache erst einmal zwei Wochen Pause und trainiere ganz leicht andere Sportarten, etwa Squash oder Tennis, um den Kopf frei zu bekommen. Und ich arbeite viel im Garten. Eigentlich ist das eine ganz schöne Zeit, da kann der Kopf alles verarbeiten.

Teilen

Verpasse keine News mehr und abonniere unseren Newsletter