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Zwischen Jetlag, Sand und Laptop

D.SPORTS INSIDE.

Von Jan Wochner

Wie die Düsseldorfer Beachvolleyballprofis Paula Schürholz und Lukas Pfretzschner ihr Leben balancieren. Zeitlich am Anschlag mit den Anforderungen im Spitzensport. Und damit endet für beide ihr Wochenpensum noch lange nicht.

Lukas Pfretzschner lässt nicht lange klingeln. Auf den WhatsApp-Call reagiert er binnen Sekunden. Den Anruf aus Deutschland beantwortet er mit einem „Guten Morgen“, dabei ist in Düsseldorf die Mittagszeit längst durch. Pretzschner aber sitzt in einem Café am anderen Ende des Globus - in Mexiko.

„Ich habe mir dieses Café gesucht, weil ich hier stabiles W-Lan habe“, erzählt der 25-Jährige. „Hier kann ich ungestört arbeiten.“ Pfretzschner ist Beachvolleyballprofi und aktuell in Mittel- und Südamerika auf Tour. Gemeinsam mit seinem Spielpartner Sven Winter, der wie auch Pfretzschner für das olympischen Förderteam D.2028 von D.SPORTS aufschlägt. 

Doch selbst am anderen Ende der Welt zum Start der neuen Saison, bei dem sich ein Turnier ans nächste reiht, setzt sich Pfretzschner in jeder freien Minute an seinen Rechner. E-Mails müssen beantwortet werden, sein Unternehmen nimmt keine Rücksicht auf den Turnierplan. „Mit 20 Arbeitsstunden in der Woche ist es meist nicht getan“, erklärt Pfretzschner, der ein Unternehmen für nachhaltige Sportkleidung gegründet hat. 

Sein BWL-Studium hat er dafür abgebrochen: „Ich habe einfach gemerkt, dass ich damit nicht so viel anfangen kann, auch wenn mir das schwierige Gespräche mit meinen Eltern eingebrockt hat“, sagt er mit Augenzwinkern. Mittlerweile haben die sich nach der Unternehmensgründung längst mit den Lebensplänen ihres Sohnes angefreundet. Pfretzschners Mutter unterstützt Lukas sogar im Unternehmen.

Paula Schürholz und das „Problem“ mit dem Chillen

Szenenwechsel: Die MERKUR SPIEL-ARENA in Düsseldorf. In den Katakomben nahe der Umkleidekabinen eilt Paula Schürholz von Kamera zu Kamera. Es steht der Media Day für das gerade erst neu gegründete Team D.2028 an, zu dem auch Schürholz zählt. Hier einmal Posen für klassische Fotos. Dort einmal Fragen beantworten, wie der Weg zu den Olympischen Spielen 2028 in LA aussehen könnte. 

„Das ist eine schöne Abwechslung“, sagt Schürholz, die für Düsseldorf aufschlägt und an der Seite ihrer Partnerin Janne Uhl fest die Heim-EM im Sommer in der Sportstadt auf dem Zettel hat. Und der Wochenplan der 23-Jährigen ist bis Unterkante Oberkante gefüllt. Meist noch darüber hinaus. 

„Ich hasse Sonntage, denn da muss ich mich zum Chillen fast zwingen“, sagt Schürholz. „Das mit dem aktiv Entspannen muss ich noch lernen.“ 40 Wochenstunden allein für den Sport sind der Standard. Seit vergangenem Jahr lebt und trainiert sie in Hamburg. Zu fünf Trainingseinheiten pro Woche mit und am Ball kommen fünf weitere im Kraftraum. Einheiten am Wochenende gesellen sich dazu, wenn kein Turnier ansteht.

Und damit ist die Zeit für den Profisport noch längst nicht ausgeschöpft. Physiotherapie, Besuche beim Sportpsychologen, Taktikbesprechungen mit dem Trainer gehören auch zum festen Ablauf bei Paula Schürholz dazu. Das Gespräch unterbricht sie schnell. Sie muss vor die Handkamera und Deckel von Wasserflaschen schnipsen. Die üblichen Fungames für die Kanäle von D.SPORTS auf Insta, YouTube und Co.

Was Pfretzschner in anderthalb Jahrzehnten macht?!?

Lukas Pfretzschner hat sich derweil gemütlich etwas zu trinken in seinem Frühstückscafé in Mexiko kommen lassen. Auf die Rechnung seines Spielpartners Sven Winter wohlgemerkt. „Wir würfeln jeden Morgen aus, wer zahlen muss. Das ist in der Regel tough für Sven und gut für meinen Geldbeutel“, sagt Pfretzschner und lacht sich einen.

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Sein Trainingsplan ähnelt dem von Schürholz. „Beachvolleyball ist mein Beruf und 50 Wochenstunden eher die Regel als eine Seltenheit“, stellt er klar. Die zeitlichen Anforderungen für sein Unternehmen kommen noch dazu: „An Wettkampftagen aber bleibt der Laptop in der Tasche, da arbeite ich nicht und fokussiere mich voll auf die Spiele.“ 

Wie lange Pfretzschner noch aktiv sein wird, weiß er selbst nicht. Auch für ihn und Sven Winter soll die EM im Sommer in Düsseldorf zum Highlight in diesem Jahr werden. Bei den Spielen im Rochusclub am Rolande Weg soll dem Duo eine Überraschung gelingen: „Wenn alles optimal läuft, können wir auch um die besten Plätze mitspielen“, sagt Pfretzschner.

Wie lange er noch das Mammutprogramm für seinen Hochleistungssport aufrecht erhalten möchte, weiß er noch nicht, will aber ganz bewusst nichts ausschließen: „Vielleicht spiele ich sogar noch in anderthalb Jahrzehnten mit 40. Das ist nicht planbar.“ Bis dahin aber bleibt sein Leben ein Balanceakt zwischen beiden Welten, der als Hochleistungssportler und der als Jungunternehmer.

„Training, Essen, Schlafen, Emails und Calls - das sind meine Tagesprogrammpunkte aktuell. Und wenn ich wie hier auf Turnierreise bin, kommt alle paar Tage noch der Wettkampf dazu“, verrät Pfretzschner. Und er klingt kein bisschen so, als würde ihn das stören.

Wie Paula Schürholz Freizeit am Wochenende nennt…

Paula Schürholz hat den Dreh für Social Media hinter sich. Auch sie hat schon ordentlich in ihre Ausbildung und damit für ein Leben nach dem Profisport investiert. Den Bachelor in Wirtschaftspsychologie hat sie seit dem Sommer in der Tasche. Einen Master mit Schwerpunkt Beratung & Coaching möchte sie nun noch draufsatteln. Seit Januar ist sie Sportsoldatin, auch um sich den teuren Kostenapparat als Profisportlerin finanzieren zu können. 

„Seit ich 17 Jahre alt bin organisiere ich mein Leben durchgetastet selbst. Ich kenne es nicht anders“, erzählt Schürholz. Hamburg hat sie zum Lebensmittelpunkt gemacht, weil sie so fußläufig am Olympiastützpunkt wohnen kann. Groß geworden ist sie in Essen, trainierte in ihrer Kindheit regelmäßig unter anderem in der Halle Mensch in Düsseldorf. Mit 14 ging’s für Schürholz dann aufs Sportinternat.

Foto: GBT/Kevin Mattig

Janne Uhl wohnt in Hamburg nicht weit entfernt. Und die beiden Spielpartnerinnen verbringen viel Zeit miteinander. Im Sand beim Training sowieso, häufig auch im Fitnessraum, obwohl dort jeder für sich selbst seine Übungen abspult. „Wir arbeiten intensiv zusammen, gehen aber privat oft eigene Wege und das ist auch gut so“, sagt Paula Schürholz. 

Gemeinsam soll sie der Weg aber in die USA führen. Zu den Olympischen Spielen 2028. „Das ist nicht nur dahingesagt“, meint Schürholz. Doch bis dahin muss vieles glatt laufen. Auch dieses Jahr nimmt Schürholz viel Jetlag in Kauf. Die Turniere auf der Tour finden an allen Ecken der Welt statt, Reisen ist Teil des Jobs als Profisportlerin: „Dabei liebe ich eigentlich meine Routinen, das Reisen bringt mich da raus. Aber letztlich sind die Reisen natürlich auch der Reiz an der Sache.“

Ermöglicht nur dank einer ganzen Reihe von Sponsoren, ohne die es in der Randsportart Beachvolleyball nicht gehen würde. Neben dem Team D.2028 bekommt Schürholz von der Sporthilfe, der Bundeswehr, der Sportstiftung NRW und weiteren Geldgebern finanzielle Hilfen. Und wenn das nicht reicht, kommt Papa Schürholz für Kosten auf. Sein Brillenladen zählt auch zum Sponsorenpool der Tochter. Flüge, Trainingslager und Trainer wollen schließlich bezahlt werden. 

Im durchgetakteten Leben von Paula Schürholz gibt es manchmal aber dann doch noch ein wenig Freizeit. Gerade am Wochenende, wenn kein Turnier auf dem Programm steht. Dann kann Paula Schürholz auch mal ohne Sand und Ball unterwegs sein. Sie selbst nennt es aber nicht Freizeit. Schürholz nennt es „Regeneration“. Na dann…