Erst desaströs, dann treffen die Joker
Fortuna nutzt große Chance nicht, spielt aber noch 3:3
Von Norbert Krings – Fortuna Düsseldorf musste sich mit einem Unentschieden begnügen, weil die Mannschaft ganz schwache 60 Minuten Fußball spielten. Immerhin holte das Team von Daniel Thioue nach einem 0:3-Rückstand noch mit großem Willen ein 3:3 am Ende heraus. Die Chance, auf Platz drei zu springen, konnten die Düsseldorfer allerdings nicht nutzen.
Daniel Thioune musste offensichtlich etwas länger überlegen, wie er seine Mannschaft aufstellen sollte. Er entschied sich dafür, Shinta Appelkamp zunächst auf der Bank zu lassen. Einerseits spekulierte Thioune darauf, dass er mit einem defensiv orientierten Zentrum den Nürnbergern den Schwung nehmen könnte. Dafür brauchte er Giovanni Haag auf der Sechs. Andererseits hat Appelkamp auch oft genug mit seinen Ideen Schwung als Einwechselspieler bringen können. In der Abwehr spielte er mit einer Dreierkette, davor auch mit Moritz Heyer links und Matthias Zimmermann rechts im Zentrum vor der Abwehr. Nicolas Gavory spielte auf dem linken Flügel, sorgte für defensive Abschirmung und Ergänzung für die Offensive bei Ballbesitz. Isak Johannesson hatte dafür mehr Möglichkeiten in der Offensive, hinter Myron van Brederode und dem tatsächlich einsatzfähigen Dawid Kownacki seine spielerische Klasse auszuspielen.
Die Nürnberger, die ohne den verletzten Torjäger Stefanos Tzimas, Berkay Yilmas und den gesperrten Jens Castrop antreten mussten, stellten die drittbeste Rückrundenmannschaft. Der Club wollte trotz geringer Chancen, noch in den Aufstiegskampf eingreifen zu können, zumindest alles versuchten, die Fortuna zu ärgern. Das Spiel startete mit einer Pyroshow in beiden Fan-Kurven, wobei es die Anhänger das auf beiden Seiten leider übertrieben und auch nach Anpfiff damit weitermachten, statt sich komplett auf die Unterstützung ihres Teams zu konzentrieren.
Das Spiel begann mit Feldvorteilen für die Gastgeber, die allerdings ganz nach vorne in der ersten Viertelstunde wenig Torgefahr ausstrahlten. Aber von Anfang an war die Energie und der unbedingte Wille im Thioune-Team zu spüren, das mit großem Engagement zur Sache ging. Doch das reichte nicht, um ein Gegentor zu vermeiden. Nach einem Stellungsfehler und dem zögerlichen Eingreifen von Fortunas Abwehr kam Julian Justavan von links in den Strafraum kommend zum Schuss. Florian Kastenmeier konnte den Ball nur mit Mühe zur Seite abwehren, und Janis Antiste staubte von der linken Ecke des Fünfmeterraums zum 1:0 (19. Minute) für die Nürnberger ab.
Ein Rückschlag für die Fortuna, die jetzt wütend zurückschlagen wollte. Doch die gefährlichere Mannschaft blieben die Gäste. Mahir Emreli hätte in der 30. Minute das 2:0 erzielen müssen, doch bei einem Konter verzog der freistehende Club-Stürmer knapp. Fortuna hatte weiterhin Probleme, klare Möglichkeiten herauszuspielen. Man merkte dem Team auch den Druck an, unter dem es stand. Sicherlich waren zunächst auch nur drei Offensivkräfte viel zu wenig, wenn man ein Spiel unbedingt gewinnen muss. Das ist und bleibt in der Offensive einfach zu wenig Kreativität und spielerische Klasse, wobei es teilweise in der Rückwärtsbewegung auch nicht immer passte. So sah es auch in der Nachspielzeit der ersten Hälfte aus, als Mahir Emreli erneut einen krassen Fehler der Fortuna nutzte und das 2:0 für die Gäste gegen einen konsternierten Gegner erzielte. Er kam völlig frei an den Ball und musste nur noch um den weit aufgerückten Fortuna-Keeper Florian Kastenmeier herum das Tor erzielen. Das gelang ihm ohne Mühe. Ein Tor wie aus einem schlechten Traum, welches wenig später ein gellendes Pfeifkonzert nach sich zog, weil man sich kaum dümmer anstellen konnte. Mit so vielen Defensivspielern sich so auskontern zu lassen und offen zu sein – das war schlicht eine sportliche Katastrophe in dieser Situation.
Puh, das mussten die Zuschauer erst einmal verdauen. Da fehlte ja so viel. Es war nach dieser Hälfte nicht zu verstehen, warum diese Mannschaft immer noch so weit oben mitspielen kann. Das war schon fast ein Offenbarungseid – und das trotz der großartigen Anfeuerung durch die treuen Fans, die alles gegeben haben. Doch es sollte noch etwas passieren, was in dieser Saison so typisch für Fortuna ist. Daniel Thioune musste reagieren und nahm Andre Hoffmann vom Feld und brachte Shinta Appelkamp für die Offensive. Doch vorne sah es weiterhin trotz aller eifrigen Bemühungen nach Brechstangen-Fußball ohne Ideen aus, auch wenn Zimmermanns Kopfball (60.) mal zwischendurch Torgefahr ausstrahlte. Fast im Gegenzug fiel dann der Treffer zum 3:0, Justvan nutzte letztlich einen kapitalen Fehler von Siebert aus, nachdem ihn der Ball von Mahir Emreli erreicht hatte, nachdem dieser noch von Oberdorf zunächst geblockt worden war.
Endlich kamen weitere Offensivkräfte ins Spiel
So kam Fortunas Trainer nicht um weitere Wechsel herum. Heyer und Kownacki verließen den Platz, Emma Iyoha und Danny Schmidt kamen dafür auf den Rasen. Nürnberg spielte unaufgeregt weiter und hatte bis dahin wenig Mühe mit diesem schwachen Gegner. Da sah allerdings beim Treffer zum 1:3 plötzlich ganz anders aus. Denn nach einer Ecke durften die Fortunen dreimal den Ball aufs Tor bringen, und am Ende köpfte Schmidt das Spielgerät dann tatsächlich über die Linie.
Nun klappte es dann doch endlich mit den Offensivaktionen auf Seiten der Gastgeber – erstaunlich nach den ersten 60 Minuten. Denn nach einem Freistoß stand Schmidt wieder richtig. Nach einem Kopfball von Siebert an den Pfosten, traf Fortunas Joker erneut und brachte die Fortuna auf 2:3 heran. Jetzt kochte die MERKUR SPIEL-ARENA endlich so, wie es sich vielleicht alle von diesem Spiel versprochen hatten. Jetzt erst gewannen die Platzherren fast alle ihre Zweikämpfe. Ein unglaublicher Spirit ging jetzt durch das weite Rund. Und tatsächlich gelang den nimmermüde angreifenden Düsseldorfern auch noch das 3:3, als Shinta Appelkamp aus 20 Metern unhaltbar zum Ausgleich einschoss – Wahnsinn. In elf Minuten hatten die Gastgeber aus dem 0:3 ein 3:3 gemacht.
Und sie wollten unbedingt mehr, spielten weiterhin nach vorne, blieben im Risiko und wollten dem angeknockten Gegner in dieser wilden zweiten Hälfte unbedingt noch den K.o. verpassen. Doch langsam ließen auch die Kräfte bei den Fortunen nach, was sich auf die Konzentration bei den Abschlüssen auswirkte. Die fünf Minuten Nachspielzeit konnte der Gastgeber trotz aller Bemühungen nicht nutzen, um auf Platz drei zu springen. Dennoch wurden die Spieler letztlich für ihre Moral und den Willen gefeiert.
Statistik:
Fortuna: Kastenmeier – Oberdorf, Hoffmann (46. Appelkamp), Siebert – Zimmermann, Haag, Heyer (64. Iyoha), Gavory – Johannesson - van Brederode – Kownacki (64. Schmidt)
Kader: Schock – Lunddal, Niemiec, Jastrzembski, Affo
Es fehlten: Kwarteng, Pejcinovic, Vermeij, Sobottka, Rossmann, Kwasigroch
Nürnberg: Reichert – Drexler, Knoche, Gruber – Janisch, Jander, Soares (72. Villadsen) - Justvan, Lubach (87. Serra) – Emreli (87. Schleimer), Antiste (76. Karafiat)
Schiedsrichter: Martin Petersen (Stuttgart / Note: 2,5, er ließ sich nicht beirren und behielt seine Linie trotz der großen Hektik der Schlussphase in dieser Partie bei)
Zuschauer: 40.021
Tore: 0:1 (19.) Antiste, 0:2 (45. +3) Emreli, 0:3 (62.) Justvan, 1:3 (68.) Schmidt, 2:3 (71.) Schmidt, 3:3 (79.) Appelkamp)
Gelbe Karten: Hoffmann (9.) / Jander, Antiste, Lubach
Chancen: 7:5
Spielnote: 3 (Fortuna vor der Pause 6…)
Beste Spieler: Schmidt, Appelkamp / Jander, Justvan
Spielfazit: Fortuna kommt nach ganz, ganz schwachen ersten 60 Minuten noch zu einem Remis. Die lange anhaltenden Konzentrationsschwächen wurden durch die besondere Mentalität wieder wett gemacht.
Besonderheit des Spiels: Das war zweifellos der Schuss von Shinta Appelkamp zum 3:3 – ein Traumtor, das das letzlich glückliche Remis brachte.
Benotung der Fortuna-Spieler:
Kastenmeier 3,5 – Oberdorf 3,5, Hoffmann 4,5, Siebert 4,5 – Zimmermann 3,5, Haag 2,5, Heyer 5, Gavory 4 - Johannesson 3 - van Brederode 3,5 – Kownacki 4,5 / Appelkamp 2, Schmidt 2, Iyoha 2,5
Reaktionen:
„Turbulentes Spiel, ein Spektakel für die Zuschauer. Mein Team hat über 60, 65 Minuten eine ordentliche Leistung gezeigt. Wir haben bis dahin clever und erfolgreich umschalten können. Aber Fortuna kann immer zurückkommen – mit dieser Wucht. Nach dem 1:3 kassieren wir dann das zweite Gegentor viel zu schnell. Mein Team ist nun traurig und enttäuscht. Wir haben mit den vielen jungen Spielern aber einen guten Auftritt gezeigt. Da müssen wir noch besser und routinierter werden.“
Miroslav Klose, Trainer des 1. FC Nürnberg
„Meine Mannschaft hat alles versucht, ein Teil dieser Partie zu sein. Lösungen hat sie zunächst jedenfalls nicht gefunden. Die Konterabsicherung hat überhaupt nicht funktioniert. Es war nicht einfach. Es strahlt aber dann eine unfassbare Mentalität aus dieser Mannschaft. Was sie nach dem 0:3 gemacht hat, ist beeindruckend für mich. Die Jungs, die eingewechselt wurden, haben nicht darüber nachgedacht, dass sie zunächst draußen waren. Ich kann die Enttäuschung bei den Fans verstehen, dass wir nicht gewonnen haben. Meine Mannschaft aber war großartig, ich freue mich, dass sie sich am Ende belohnt hat. Ein 4:3 wäre dann aber wohl noch etwas zu viel gewesen.“
Daniel Thioune, Trainer von Fortuna Düsseldorf
“So nach dem 0:3 zurückzukommen, ist aller Ehren wert. An dem vierten Tor haben wir noch geschnuppert. Ein bißchen enttäuscht kann man sein, insgesamt war das aber eine Riesenleistung, den Schalter noch so umzulegen. Aber solche leichten Fehler darf man sich in dieser Phase der Saison nicht leisten.”
Emmanuel Iyoha, eingeechselter Fortuna-Spieler
“Die ersten 60 Minuten waren nicht gut. Wir hatten wenig Energie und keinen Zugriff. Wir wussten dann, dass wir nichts mehr zu verlieren haben. Dass wir zurückkommen können, haben wir schon öfter gezeigt. Die Wechsel haben neue Energie gebracht. Nach meinem 1:3 wusste ich, dass wir auch zurückommen werden. Alles ist tabellarisch noch möglich.”
Danny Schmidt, zweifacher Torschütze der Fortuna
“Vor dem 0:3 ging alles zu schnell, ich habe dann vercheckt, dass jemand hinter mir war und verliere den Ball. Ein Lächeln, dass wir noch 3:3 gespielt haben. Das weinende Auge war auch da, weil wir lange viel zu fahrlässig gespielt haben.”
Jamil Siebert, Innenverteidiger der Fortuna
“Ich bin fix und fertig. Das Ganze hat mich an das Spiel gegen Kaiserslautern mit dem 4:3-Sieg erinnert. Wir haben erst viele unnötige Fehler gemacht. Und dann eine tolle Moral gezeigt. Es war wichtig, dass was wir abgerissen haben, das war Wahnsinn. Auch wenn wir eine gute Chance hatten, auf Platz drei zu springen, bin ich jetzt nach dem Spiel insgesamt zufrieden. Ich hatte Gänsehaut, was die Stimmung angeht in der Arena. Das war großartig."
Matthias Zimmermann, Defensivspieler der Fortuna
“Es hätte noch was Geileres gegeben können - wenn wir das 4:3 noch gemacht hätten. Die ersten beiden Tore kamen zu einem guten Zeitpunkt. Es tut schon weh, dass es nur ein Punkt geworden. War schon ein brutales Ding - mein Tor. Ich wollte aber nicht feiern, sondern möglichst noch das 4:3 erzielen.”
Shinta Appelkamp, Mittelfeldspieler der Fortuna