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Das rot-gelbe Jahr im Rückblick

DEG-Roundtable zum Saisonende

Foto: Birgit Häfner

Die Spielzeit 2021/22 ist vorbei. Tobias Kemberg, Bernd Schwickerath und Jan Wochner aus dem D.SPORTS-Team schauen am „Roundtable“ zurück und werfen einen ersten Blick auf die kommende Eishockeysaison.

Tobias Kemberg: Bernd, die Saison 2021/22 ist vorbei – zumindest für die Düsseldorfer EG. Als Abstiegskandidat gehandelt, spielte sich das Team bis ins Play-off-Viertelfinale. Angesichts der Erwartungen und finanziellen Möglichkeiten ein klarer Erfolg. Oder siehst du es etwas differenzierter?

Bernd Schwickerath: Differenzieren ist nie verkehrt, und wir werden sicher auch auf Sachen eingehen, die nicht so gut gelaufen sind. Aber wenn wir nur auf die Voraussetzungen, die Erwartungen und das Ergebnis schauen, ist das sogar ein Riesenerfolg. Geschäftsführer Harald Wirtz sagte jüngst, die DEG habe den zweitkleinsten Etat der Liga – ob das wirklich stimmt, lasse ich mal dahingestellt, aber zu den Top-Acht gehört sie sicher nicht. Trotzdem ist sie unter die letzten Acht gekommen, hatte mit dem Abstieg gar nichts zu tun und konnte die Play-offs früh klarmachen.

Tobias Kemberg: Genau genommen ist die DEG ja sogar der beste NRW-Verein der Saison gewesen, also auch vor den Kölner Haien, die im Viertelfinale nach nur drei Spielen ausgeschieden sind. Aber das mal nur am Rande. Die DEG hat eine richtig gute Saison gespielt und die Erwartungen vieler Experten und Fans absolut übertroffen. Aber ich finde, man hat schon recht früh in der Saison gesehen, dass sich die vielen Unkenrufe nicht bestätigen würden. Ich war mir (gefühlt) schon im Oktober sicher, dass einiges drin ist. An die zweite Play-off-Runde habe ich dabei aber auch nicht unbedingt gedacht.

Jan Wochner: Welche Typen bei der DEG haben euch denn überzeugt? Ich finde ja, dass die DEG in dieser Saison echte Charakterköpfe im Team hatte. Mehr noch als in den Vorjahren. . .

Tobias Kemberg: Wie wird man zum Charakterkopf? Die „üblichen Verdächtigen“ wie Kapitan Alex Barta, Verteidiger Marco Nowak oder Stürmer Daniel Fischbuch sind für die Kabine schon in der Vergangenheit wichtig gewesen und waren es auch in dieser Saison. Echte Charakterköpfe – auf ihre jeweils ganz eigene Art und Weise – waren für mich beispielsweise auch Carter Proft, der die Gegenspieler so richtig reizen konnte, oder Joonas Järvinen. Der Finne ist in typisch nordeuropäischer Manier natürlich kein „Lautsprecher“, aber ein richtig guter Typ und über die gesamte Saison gesehen der defensiv stabilste Verteidiger im Team gewesen.

Jan Wochner: Ein Charakterkopf ist für mich jemand, der Flagge zeigt – auf und abseits des Eises – wenn es um die Wurst geht. In den Play-offs finde ich, dass Barta und Fischbuch genau das noch mehr und überzeugender getan haben als bei den meisten ihrer Auftritte in den vergangenen Jahren. Bei Proft und Järvinen gehe ich mit. Mirko Pantkowski hat in den meisten Play-off-Spielen eine Klasse gezeigt, die man sich von ihm konstant wünschen würde. Und ich finde die Art und Weise, in der Jerry D’Amigo Eishockey spielt einen Riesengewinn für die DEG. Der reißt echt mit. . .

Bernd Schwickerath

Bernd Schwickerath: Ja, in den Play-offs war er stark, hat vor allem defensiv und in Unterzahl viel gearbeitet. Über die gesamte Saison war mir das aber deutlich zu wenig, ähnlich wie bei Brett Olson. Das waren jetzt keine Ausfälle im klassischen Sinne, aber wir dürfen nicht vergessen, dass die beiden als Heilsbringer verpflichtet worden waren. Die beiden sollten dem unruhigen Publikum im Sommer neue Hoffnung geben, waren in den vorderen Reihen eingeplant. Das haben sie kaum erfüllt. Dafür kam plötzlich jemand wie Brendan O’Donnell aus der Slowakei und schießt alles kaputt. Seid ehrlich: Als die Meldung kam, hätte niemand erwartet, dass das einer wird, der 23 Tore macht und 36 Vorlagen gibt. Wobei man auch sagen muss, dass er in den Play-offs nachgelassen hat. Nur ein Tor in sieben Spielen? Allerdings war er auch ein anderer Spielertyp, hat nicht mehr so viel geschossen, mehr abgespielt und teilweise Traumpässe gespielt. Erinnern wir uns an das Siegtor im letzten Spiel in Nürnberg.

Tobias Kemberg: O‘Donnell ist ein typisches Beispiel für die gute Arbeit des Sportdirektors. Klar, D‘Amigo und Olson waren über die gesamte Saison nicht die Volltreffer wie Stephen MacAulay oder eben O‘Donnell. Ich finde, Niki Mondt hat bei der Kaderzusammenstellung ebenso „überperformt“ wie letztlich die Mannschaft selbst. Dass O‘Donnell so eine Monstersaison hinlegt, habe ich nicht erwartet.

Jan Wochner: Wie sehr ändert sich das Gesicht der DEG personell betrachtet im Sommer? Und was ist die Perspektive?

Bernd Schwickerath: Auch da können wir über Niki Mondt reden: Der hat es ja nicht nur geschafft, diese Saison mit angeblich ganz schmalem Budget einen Viertelfinalisten aufs Eis zu stellen, ein Großteil der Leistungsträger ist auch bereits unter Vertrag. Ganz ohne Abgänge geht es natürlich wieder nicht. Was in den vergangenen Jahren Descheneau, Gogulla oder Niederberger waren, ist jetzt Marco Nowak. Aber wenn wir sehen, dass Leute wie Fischbuch, O’Donnell, Eder, Ehl, MacAulay und Cumiskey noch Vertrag haben, sieht das schon mal gut aus. Zudem kommt Gogulla zurück, mit Barta und Ebner könnte verlängert werden – das sähe schon mal gut aus. Wobei da natürlich trotzdem noch eine Menge fehlt, es wird wohl wie jedes Jahr einen Umbruch geben, auch wenn der dieses Jahr kleiner ausfällt.

Tobias Kemberg: Die Verantwortlichen haben immer wieder betont, dass es keinen großen Umbruch geben soll. Aber es wird trotzdem mit Sicherheit mehr als fünf oder sechs Abgänge geben. Marco Nowak lässt sich nicht durch einen anderen deutschen Verteidiger gleichen Formats ersetzen. Das geht vom Budget her zu 99 Prozent nicht. Aber ich bin da ganz bei Bernd. Das Grundgerüst steht und lässt hoffen, dass die DEG 2022/23 an diese Saison anknüpfen kann. Es sollte bitte nur niemand erwarten, dass es nächstes Jahr definitiv ins Halbfinale geht. Niki Mondt muss wieder ein gutes Händchen bei den Transfers haben und mit dem neuen Trainer muss auch alles passen.

Jan Wochner: Trainer ist ein gutes Stichwort. Wie sehr weint ihr Harry Kreis hinterher?

Bernd Schwickerath: Aus rein persönlichen Gründen ist es schon schade, für uns Journalisten war Harold Kreis ein sehr angenehmer Trainer. Nie unhöflich, immer erreichbar, immer ansprechbar, hat auf jede Frage geantwortet, teils mit seinen typischen englischen Einzeilern, für deren Inhalt wir drei Sätze bräuchten. Und vor allem: Er ist erfahren genug, um bei Kleinigkeiten nicht an die Decke zu gehen und mit Kritik umgehen zu können. Auch sportlich kann sich die Bilanz sehen lassen: Er hat ein Team übernommen, das zwei Jahre in Folge nicht in die Play-offs gekommen war. In allen vier Jahren kam er in die Top-Ten, dreimal ins Viertelfinale, auch wenn eins davon nicht stattfinden konnte. Das ist schon sehr in Ordnung für einen Klub wie die DEG. Trotzdem sage ich: Die Trennung kommt zum richtigen Zeitpunkt – und zwar für beide Seiten. Vier Jahre sind lang, gerade während einer Pandemie. Kreis hat selbst gesagt, dass beide Seiten jetzt eine neue Ansprache oder Umgebung vertragen könnten. So geht er auch im Guten.

Tobias Kemberg

Tobias Kemberg: Dem ist kaum etwas hinzuzufügen. Harold Kreis hat der DEG absolut gutgetan. Ganz besonders nach dem absoluten Fehlgriff mit Mike Pellegrims zuvor. Aber ich sehe das auch so: Jetzt ist Zeit für etwas Neues. Für die DEG und für Kreis. Grundsätzlich etwas offensiveres Eishockey würde mir auch ganz gut gefallen. Jan, wie denkst du über Harry und hättest du es besser gefunden, wenn er mit dem Kern der Mannschaft weitergemacht und bestimmte Dinge noch weiterentwickelt hätte?

Jan Wochner: Nee, der Zeitpunkt für einen Wechsel scheint tatsächlich ideal. Auch um die vielen jungen Spieler, die noch nicht am Ende ihrer Entwicklungsfähigkeit stehen, noch einmal mit neuen Einflüssen zu pushen. Ich denke da an Spieler wie Ehl und Eder. Aber Harry Kreis ist tatsächlich die angenehmste und sympathischste Person, die mir im deutschen Profisport bislang über den Weg gelaufen ist. Eins aber lässt mir keine Ruhe, Jungs. Die letzte Meisterschaft liegt bald 30 Jahre zurück. Bin ich ein Träumer, wenn ich mir vorstelle, dass es sowas in Düsseldorf noch geben kann? Und braucht es etwa genauso etwas, ehe der PSD BANK DOME wieder voll wird?

Tobias Kemberg: In den nächsten zwei bis fünf Jahren ist das für mich kaum vorstellbar. Die Schwergewichte der Liga haben einfach ganz andere Möglichkeiten im finanziellen Bereich. Vielleicht gelingt mal wieder einem Team etwas Vergleichbares wie im Jahr 2014 Ingolstadt. Die sind damals in den Play-offs richtig heiß gelaufen und haben das Ding am Ende geholt. Und warum sollte das dann nicht mal die DEG sein? Aber aktuell ist der Klub davon meilenweit entfernt. Und die Zuschauerzahlen in den Play-offs waren einfach traurig. Klar, die Termine am Donnerstagabend gegen Nürnberg und Dienstagabend gegen München sind nicht annähernd so sexy wie Maskottchen Düssi, aber Teile des Düsseldorfer Publikums sind schon sehr schwer zu begeistern. Und dann kommt wieder die ewige Leier von der Brehmstraße, wo ja alles besser war.

Jan Wochner: Das letzte Argument ist Quatsch. Dieses Thema ist einfach nicht nachvollziehbar. Das war die leidenschaftlichste DEG seit Jahren. Und die Zuschauerzahlen in den Spielen haben das nicht im Ansatz widergespiegelt. Das hat mich ehrlich gesagt ziemlich sprachlos zurückgelassen. Und das kommt wirklich selten vor. . .

Tobias Kemberg: Ist ja auch nicht mein Argument. Aber da war ja die Stimmung immer so toll und das Stadion immer voll. Kann das auch nicht mehr hören. Am Ende brauchst du ein Finale oder Derbys gegen die Haie, um den Dome häufiger voll zu machen.

Jan Wochner: Das Finale ist aktuell nicht darstellbar mit den Rahmenbedingungen. Die Haie kannst du dir halt auch nicht als Gegner in der Postseason backen. Und die Mannschaft hat nun wirklich alles in Bewegung gesetzt, um mehr Fans anzulocken. Lasst uns das Thema wechseln. Es bleibt einfach eine Beleidigung dieser Mannschaft, das so viele Eishockeyinteressierte zuhause geblieben sind. Das ist einfach so, egal, wie man es dreht und wendet.

Bernd Schwickerath: Man muss schon sagen, dass auch andere Probleme haben. Im Berlin, Mannheim oder Köln war auch kein Spiel ausverkauft. Die Vereine müssen in der Pandemie um die Fans kämpfen, viele Leute haben in den vergangenen Monaten gemerkt, dass es auch ohne geht. Manchen fehlt auch das Geld, wieder andere sitzen am Spieltag in Quarantäne oder haben Sorge vor einer Infektion. Trotzdem verstehe ich nicht, warum in den Play-offs weniger Leute kommen als zu machen Hauptrundenspielen. Gegen Köln oder am Ende der Hauptrunde gegen München waren mehr Leute da. Aber so ist das nun mal in Düsseldorf: Der Kern ist treu, aber damit es voll wird, braucht es Aktionstage oder außergewöhnliche Gegner und Erfolge.

Jan Wochner

Bernd Schwickerath: Und wo wir über Erfolge reden: Eine Meisterschaft halte ich in den nächsten Jahren für komplett unrealistisch. Ich bin mir nicht mal sicher, ob die DEG nächste Saison wieder so entspannt in die Play-offs kommt. Die Top-Vier sind zementiert, Straubing ist weiter, Ingolstadt wird zurückkommen, Bremerhaven kommt immer rein. Nürnberg ist auf einem guten Weg, Köln muss mit den Möglichkeiten viel mehr reißen. Das sind schon mal neun Klubs, die Anspruch auf zehn Plätze erheben. Dann kommen Iserlohn, Augsburg und Schwenningen, die sicherlich nicht weniger Geld ausgeben als die DEG und nach der schwachen aktuellen Saison zurückschlagen wollen. Hinzu könnte ein emotionaler Aufsteiger aus Frankfurt kommen. Bleibt nur noch Bietigheim, das auch nicht so verkehrt unterwegs war. Heißt also: Obwohl die DEG auf der Saison aufbauen kann, sehe ich keine garantierten Siege. Allerdings auch keine garantierten Niederlagen.

Jan Wochner: Für die Siege braucht’s einen oder zwei gute Torhüter. Wie fällt da euer Urteil aus? Gar nicht so einfach nach dieser Saison, oder?

Tobias Kemberg: Beide Torhüter haben sich meiner Meinung nach in dieser Saison weiterentwickelt. Der Vertrag mit Mirko Pantkowski, der in den Play-offs richtig stark gespielt hat, läuft aus, Hendrik Hane hat noch ein Jahr. Auf zwei junge deutsche Torhüter zu setzen, war im Rückblick auf diese zwei Jahre kein Fehler. Aber mit einem (noch) stärkeren Goalie als Nummer Eins wäre die DEG für mich nächste Saison auf jeden Fall wieder ein Play-off-Kandidat. Dafür musst du aber dann eben auch eine der Kontingentstellen nutzen.

Bernd Schwickerath: Ich bin mir immer noch nicht sicher, wie ich die beiden bewerten soll. Schauen wir rein auf die Fangquote, steht die DEG mit 90,56 Prozent auf Rang sechs – das kann sich absolut sehen lassen. Die 2,95 Gegentore (Platz neun) sind mir aber zu viel. Was nicht heißen soll, dass dafür nur die Torhüter verantwortlich sind. Es gibt ja noch weitere Zahlen, um uns einer Bewertung zu nähern. Bei GSAA – dabei werden die Schüsse ins Verhältnis der durchschnittlichen Fangquote in der Liga gesetzt – steht Pantkowski bei 4,83, Hane bei 3,24. Sie haben also mehr gehalten, als es der fiktive Durchschnittstorwart der DEL getan hätte. Und vor allem in den Play-offs war Pantkowski bis auf das zweite Spiel gegen Nürnberg wirklich herausragend. In der Hauptrunde gab es allerdings auch wieder Wackler, die aber selbst die Besten zeigen. Insgesamt muss man schon sagen, dass sich die beiden weiterentwickelt haben. Das Experiment mit zwei jungen Goalies ist geglückt. Trotzdem – und da bin ich bei Tobi – hätte ich kein Problem damit, wenn nächste Saison wieder ein erfahrener Mann die Nummer eins ist. Der darf auch gern eine Kontingentstelle besetzen.

Tobias Kemberg: Wir haben eingangs über Charakterköpfe und Identifikationsfiguren gesprochen. Marco Nowak ist so einer, aber der verlässt die DEG jetzt. Wie schwer wiegt dieser Verlust und wie kann die DEG ihn ersetzen?

Die DEG darf auf eine erfolgreiche Saison zurückblicken. Foto: Kenny Beele

Bernd Schwickerath: Ersetzen kann sie ihn nicht. Spielerisch vielleicht noch irgendwie, wenn sie viel Geld in die Hand nimmt oder wieder einen absoluten Glücksgriff auf dem Transfermarkt tut. Aber niemand kann Marco Nowak als Mensch ersetzen. Wir von außen können uns da ja immer nur auf die Aussagen der Beteiligten verlassen, aber ich habe wirklich noch nie jemanden gehört, der schlecht über Marco Nowak spricht. Ob bei der DEG oder der Nationalmannschaft, er geht immer mit Optimismus voran, macht jede Kabine zu einem besseren Ort. Und für die DEG war er zudem noch eine wichtige Figur nach außen, eine die die Fans seit mehr als einem Jahrzehnt kennen. Allerdings hat er diese Saison auch Phasen gehabt, wo er mir nicht gefallen hat – da wollte er zu viel, hat dumme Strafen gezogen. Er war allerdings auch mehrfach verletzt, fiel zweimal wegen Corona aus. Dann die Phase, als über Wochen nur fünf Verteidiger da waren. Das war alles schwer, deswegen würde ich da auf gar keinen Fall von einer schlechten Saison sprechen. Aber in den Vorjahren war er noch stärker, der klare Abwehrchef der DEG. Den zu ersetzen, ist fast unmöglich.

Tobias Kemberg: Ihn zu ersetzen ist wirklich so gut wie unmöglich. Mit Kyle Cumiskey ist ein weiterer Top-Verteidiger ja noch an die DEG gebunden. Er wird sicherlich noch mehr Verantwortung übernehmen müssen. Und persönlich wünsche ich mir auch, dass Bernhard Ebner bleibt. Die Nowaksche Verantwortung muss und wird auf mehrere Schultern verteilt. Alles in allem ist mir vor der neuen Saison – Stand heute – aber nicht bange. Ich sehe die DEG auf einem guten Weg.

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